Für die Zukunft gesichert
Komplexe Sanierung von St. Peter und Paul in Langenbrettach
Seit Jahrhunderten steht St. Peter und Paul auch einer leichten Anhöhe im württembergischen Langenbrettach. Knapp 4.000 Einwohner hat der Ort im Landkreis Heilbronn – und sein geistliches und historisches Zentrum ist eben jene romanische Chorturmkirche aus dem 10. Jhd. Und seine Sicherung für die Zukunft war eine ziemliche Herausforderung.
Wenn der Zahn der Zeit am Bauwerk nagt
1264 wurde die Kirche erstmals urkundlich erwähnt, doch ihre Geschichte reicht noch weiter in die Vergangenheit zurück. Im Laufe der Jahrhunderte hinterlassen nicht nur Witterungseinflüsse ihre Spuren, manchmal kommt es auch zu kleineren Katastrophen. 1663 schlug ein Blitz in den Kirchturm und richtete schwere Schäden an. Aus finanziellen Gründen errichtet man damals das Obergeschoss des Turms in Fachwerkbauweise neu. Eine pragmatische Entscheidung, die aber 350 Jahre später genau in die Situation mündete, die beinahe zum Einsturz geführt hätte.
Ebenfalls nicht unproblematisch waren die Renovierungen von 1955 und Anfang der 1970er Jahre. Hier wurde – gut gemeint – harter Zementmörtel verwendet, der vor allem in stark beanspruchten Bereichen seine Anwendung findet, insbesondere dann, wenn es auf hohe Festigkeit und Widerstandfähigkeit ankommt. In St. Peter und Paul versiegelte der Mörtel aber das historische Mauerwerk viel zu stark und beeinträchtigte die natürliche Atmungsaktivität. So konnte sich Feuchtigkeit festsetzen.
Alarmierende Bestandsaufnahme
Der der Bauberatungsbericht des Oberkirchenrats vom März 2020 setzte eine ganze Kette von detaillierten Untersuchungen in Gang. Stück für Stück wurde der besorgniserregende Zustand der Kirche offenbar. Die kritischsten Schäden fanden sich an den Dächern und den tragenden Strukturen.
Die Schiefereindeckung des markanten Turmhelms war undicht geworden und über unsachgemäß abgedichtete Grate war Feuchtigkeit tief in die historische Holzkonstruktion eingedrungen. Besonders kritisch war der Zustand der so genannten Fußpunkte am Dachtragwerk des Kirchenschiffs. Die Auflagerpunkte, an denen die mächtigen Holzbalken des Dachstuhls auf dem Mauerwerk ruhen, waren regelrecht zerfallen. Die gesamte Dachkonstruktion hatte ihre Stabilität verloren und bereits begonnen, sich zu verformen. Das Gewicht des Daches drohte die Außenmauern auseinander zu drücken.

Vorzustand der Dacheindeckung

Fehlende und unsachgemäße Gratabdeckung

Freilegung an der Nordseite

Das Dach an der Südseite wird freigelegt

Geschädigtes Traufgesims an der Zwiebelgaube

Restauration an der Nordseite

Restauration an der Südseite

Restaurierung der Kehlbalken an der Südseite

Schädigungen an der Sakristei

Einbau der statischen Stahlträger

Einbau der statischen Stahlträger

Alle Holzbauteile wurden mit reiner Leinölfarbe gestrichen
Und noch eine Herausforderung
Bevor auch nur ein Gerüstteil gestellt und ein LKW anfahren konnte, musste zunächst ein weiteres Problem gelöst werden. Der Zugang zur Kirche führt nämlich über einen Platz, unter dem sich ein altes Brunnengewölbe befindet. Im Zuge der Sanierung müssten schwere Baufahrzeuge darüberfahren – würde die jahrhundertealte Konstruktion diesem Gewicht standhalten? Mit Hilfe eines hochpräzisen Laserscans wurde das Gewölbe vermessen. Aus den gewonnenen Daten erstellten Fachleute ein exaktes 3D-Modell. Jetzt konnte man die nötigen statischen Berechnungen durchführen – mit der guten Nachricht, dass die Konstruktion stabil genug war.
Ein Wettlauf mit der Zeit
Während der Arbeiten am Kirchturm offenbarten sich die Schäden in ihrem gesamten Ausmaß. Die Statik des Turm war akut gefährdet und stand kurz vor dem Versagen. Hier musste sofort gehandelt werden, um den Einsturz noch abzuwenden. Weil die Deckenbalken verfault waren, lag die gesamte Last des schweren Turmhelms auf einem einzigen zentralen Unterzug – einem zwar massiven Holzbalken, der aber für eine solche Belastung nie ausgelegt war. Unter dem starken Druck hatte sich dieser Unterzug bereits um schreckende 9cm durchgebogen und rein rechnerisch die Versagensgrenze längst überschritten.
Anstatt nun das marode Holz großflächig zu ersetzen, entwarfen die Ingenieure eine so genannte „additive Stahlkonstruktion“: Ein maßgefertigtes Stahlskelett wurde oberhalb der alten Balkenebene eingezogen. Es fängt die Last des Turmhelms ab und leitet die Kräfte sicher auf das Fachwerk der Turmwände ab. Diese Lösung ist insofern bemerkenswert, weil sie den geringsten Eingriff in den historischen Bestand darstellt. Das alte Tragwerkskonzept bleibt sichtbar, während die neue Konstruktion, von unten kaum zu sehen, ihre lebensrettende Funktion erfüllt.
Im Kirchenschiff wurden die unsachgemäßen Reparaturen aus der jüngeren Vergangenheit entfernt und die Knotenpunkte an Deckenbalken und Sparren zimmermannsmäßig instandgesetzt. Nach der statischen Sicherung nahm man die Fassaden in Angriff und St. Peter und Paul bekam eine neue schützende Hülle. Der alte zementhaltige Putz am Sockel des Westgiebels wurde entfernt und durch Luftkalkmörtel ersetzt. Dieser traditionelle Baustoff ist diffusionsoffen, ermöglicht dem Mauerwerk also zu „atmen“ und Feuchtigkeit wieder abzugeben. Das verhindert Bauschäden langfristig.
Die hölzernen Teile, z.B. Schalluken und Dachgauben, wurden mit Leinölfarbe neu gestrichen. Anders als moderne Acrylfarbe drin Leinölfarbe tief ins Holz ein und schützt es von innen. Das sorgt für Langlebigkeit und authentische Optik.
Für die Zukunft gesichert
Nach langer intensiver Arbeit ist St. Peter und Paul nicht nur optisch wieder ein Schmuckstück, sondern statisch und bauphysikalisch für die kommenden Generationen gerüstet. Die komplexe Sanierung war mehr als nur eine Reparatur, sie war buchstäblich die „Rettung in letzter Minute“. Mehr als 700.000 Euro hat sie gekostet. Kirchengemeinde, Kirchenkreis und Kommune haben den Löwenanteil getragen, die Stiftung KiBa hat mit 10.000 Euro gefördert. Hinzu kamen weitere Stiftungen und vor allem das ehrenamtliche Engagement der Menschen vor Ort. Ihr Beitrag macht solche aufwändigen und für den Erhalt unseres kulturellen und spirituellen Erbes unverzichtbare Rettungsaktionen überhaupt erst möglich.