Von Orten, die verschwinden, und solchen, die bleiben
„KiBa-Kirche des Monats Oktober 2023“ in Paitzdorf
Frohna und Wittenberg liegen am Mississippi. Das wussten Sie nicht? Nein, wir sind nicht mit dem Finger auf der Landkarte verrutscht. Auch die Orte Dresden und Altenburg gab es einst dort, im heutigen Missouri. Sie ahnen es: Die sächsische Auswanderung im 19. Jahrhundert hinterließ ihre Spuren. Auch etwa 40 Männer und Frauen aus Paitzdorf in Thüringen hatten sich dieser Bewegung angeschlossen und waren in den Jahren zwischen 1838 und 1840 aufgebrochen, um im Herzen der heutigen USA eine neue Heimat zu finden. Vielleicht war es Heimweh, vielleicht Kulturbewusstsein: Die neue kleine Stadt, die die Auswanderer am Mississippi gründeten, nannten sie ebenfalls: Paitzdorf (später wurde sie dann in Uniontown umbenannt).
Es ist zu vermuten, dass die thüringischen Christen ihre neue Stadt auch mit einer Kirche ausstatteten – Genaueres zu erkunden, möge Historikern überlassen bleiben. Das drei Kilometer südöstlich von Ronneburg gelegene „echte“ Paitzdorf aber (das heute immer noch so heißt), kann in jedem Fall mit einem deutlich älteren Gotteshaus aufwarten. Erbaut wurde es am höchsten Punkt des in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von deutschen Bauern gegründeten Dorfes. In der Zeit vor der Reformation war es Patronatskirche des Klosters Cronschwitz und eine der größten und bedeutendsten Kirchen der Umgebung. Der Chorturm der einschiffigen Kirche ist der spätgotischen Epoche zuzuordnen. An seiner Nordseite wurde die Sakristei angegliedert. 1793 erhielt der Turm sein oberstes, achteckiges Geschoss und eine schiefergedeckte, geschwungene Haube, auf der eine Laterne mit Turmkugel sitzt.
Dorfkirche Paitzdorf
Dorfkirche Paitzdorf
Dorfkirche Paitzdorf
Dorfkirche Paitzdorf
Dorfkirche Paitzdorf
Dorfkirche Paitzdorf
Dorfkirche Paitzdorf
Die jüngsten „Bewohnerinnen“ der Kirche sind drei Glocken, die erst 1969 nach Paitzdorf kamen. Sie wurden von der berühmten Glockengießerfamilie Schilling im thüringischen Apolda gegossen – ursprünglich für die Kirche im wenige Kilometer entfernten Dorf Culmitzsch. Dieses aber gibt es nicht mehr. Denn: 1955 hatte man nördlich von Culmitzsch mit dem Abbau von Uran begonnen. Um eine Schutzzone um die notwendigen industriellen „Absetzanlagen“ errichten zu können, zwang man die Bewohnerinnen und Bewohner umzusiedeln. Zwischen 1964 und 1970 wurden die Gebäude des Ortes vollständig abgerissen.
Durch diese leidvolle Geschichte kam die Kirche in Paitzdorf zu ihren Glocken. Geläut und Erscheinungsbild des Gotteshauses prägen den 300-Seelen-Ort bis heute. Der Kirchenbau in der Dorfmitte ist nicht nur „Kulturdenkmal“, sondern auch „gesellschaftlicher Mittelpunkt des Dorfes“ - so schreiben es die Verantwortlichen Paitzdorfer in ihrem Antrag an die Stiftung KiBa.
Nötig wurde dieser Antrag, weil das denkmalgeschützte Gebäude saniert werden muss. Nachdem in einem ersten Schritt bereits die Dächer von Kirchturm und Kirchenschiff restauriert wurden, soll es nun um die Fenster und die Fassade des Gotteshauses gehen, „um ein würdiges Äußeres zu erhalten“. Die anstehenden Arbeiten – vom Aufbau des Gerüstes über die Instandsetzung der Mauern und dem Neuverputz der Fassade bis zur Sanierung der Fenster – werden rund 115.000 Euro kosten. „Durchhaltevermögen und Zuversicht“ brauche es dafür, auch beim Spendensammeln, betont Kathrein Günther, Mitglied des Gemeindekirchenrates. „Wir sind froh und dankbar, dass unsere Kirchgemeinde und auch die politische Gemeinde alle Vorbereitungen und Unternehmungen unterstützen“. „Die Spenden für unsere kleinen Konzerte in der Kirche, die mit viel Liebe von Laienkünstlern aus der eigenen und den Nachbargemeinden gestaltet werden, geben uns immer wieder Antrieb.“ Auch die Stiftung KiBa unterstützt das Vorhaben: Mit einer Fördersumme in Höhe von 10.000 Euro in diesem Jahr hat sie die Paitzdorfer Kirche seit 2013 schon zum dritten Mal (mit insgesamt 30.000 Euro) gefördert.
„Was ist ein Gotteshaus ohne Leben darin?“, fragt Kathrein Günther. „Wir brauchen unsere Kirche für Gottesdienste, Andachten, Gespräche und einen Gebetskreis. Für die Sanierung erbitten wir Gottes Segen – dann werden wir unsere Aufgaben schon schaffen, immer Schritt für Schritt.“