St. Martin Bernburg im Salzlandkreis (Sachsen-Anhalt)
St. Martin Bernburg im Salzlandkreis (Sachsen-Anhalt)

Paradebeispiel für die Erweiterung von Möglichkeiten

„KiBa-Kirche des Monats Februar 2020“ in Bernburg

Die Martinskirche in Bernburg ist deutschlandweit einzigartig. Nun ließe sich einwenden: Das sind ja fast alle Kirchengebäude. Aber wo ist schon einmal eine Kirche innerlich wie äußerlich so umgestaltet worden, dass sie an sechs Tagen in der Woche mit Leben gefüllt ist? In Bernburg (Sachsen-Anhalt) hat man – dem Kirchenlied von Klaus-Peter Hertzsch entsprechend – „neuen Wegen“ vertraut und die Kirche zu einem Ort mit vielen Möglichkeiten gewandelt. Heute ist sie Herzstück des mehrfach preisgekrönten „Martinszentrums“.

Und das ging so: Neben dem rund 130 Jahre alten neugotischen Sandsteinbau wurde ein niedriger, moderner Komplex in pavillonartiger Holzbauweise gebaut, der sich wie eine Art Kreuzgang um die Kirche schließt. Darin befinden sich eine Grundschule, eine Kindertagesstätte und ein Hort; die Höfe dieser Einrichtungen sind zur Kirche hin geöffnet. Im Inneren des Kirchengebäudes wurden außerdem Sport- und Kunsträume für Kinder geschaffen, auf der Empore befindet sich die Bibliothek. Das Kirchenschiff ist, wenn es nicht für Gottesdienste gebraucht wird, die Aula des „Martinszentrums“.

Klingt gewagt und ist gelungen. Die in ihrer Nutzung so zukunftsweisend entwickelte Martinskirche ist ein Treffpunkt für alle Generationen, meint Pfarrer Dr. Lambrecht Kuhn: Das jährliche Musical der Schule wird in der benachbarten Seniorenbegegnungsstätte aufgeführt, berichtet er, in der Kirche singen die Kindergartenkinder für Senioren, die Geburtstag haben, regelmäßig wird gemeinsam gebastelt. Dass die 165 Grundschulkinder mit ihren älteren Nachbarn in gutem Kontakt sind, zeigt sich auch außerhalb der geplanten Gemeinsamkeiten: „Manchmal klingeln die Kinder auch wahllos an irgendwelchen Haustüren, um Kekse zu verteilen“.

Zur Zeit der Industrialisierung war Bernburg die größte Stadt von Anhalt. Nur kurz währte diese Phase, doch sie führte dazu, dass im Jahr 1884 mit dem Bau der nach Martin Luther benannten Stadtkirche begonnen wurde. Drei Jahre später war das Gebäude fertig. Erbaut hatte es einer der bedeutendsten Vertreter der Neugotik des 19. Jahrhunderts, der königlich-hannoversche Baurat Conrad Wilhelm Hase (1818 – 1902). 

St. Martin Bernburg

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1989 wurde die Martinskirche ein zentraler Ort der Friedlichen Revolution; am 23. Oktober fand das erste Friedensgebet dort statt, eine Woche später folgte nach dem Gebet eine erste Demonstration.

Pfarrer Lambrecht Kuhn kam 2001 aus Brandenburg nach Bernburg („damals gab es noch einen Pfarrerüberhang und in Brandenburg gab es 13 Absolventen und sechs halbe Stellen“). Er kennt die Hallenkirche mit den schmalen Seitenschiffen und ihrem spitzen Westturm noch in ihrem „Vor-Zentrums-Zustand“. Die Idee des Martinszentrums entstand drei Jahre später, an der Umsetzung war er von Anfang an beteiligt. Weil er in Fürstenwalde an der Spree aufgewachsen ist, hatte der Theologe mit dem dortigen Dom ein gutes Beispiel für die Umnutzung einer Kirche vor Augen: „Ich wusste, dass man das schaffen kann, wenn die Mittel dafür da sind“.

Die Mittel kamen zusammen, das Konzept ging auf – seit 2007 ist das Zentrum, das immer wieder von Architekten und anderen Interessierten begutachtet wird, in Betrieb. Schon ein Jahr später machten sich allerdings erstmals Mängel an der Kirche bemerkbar. Schadhafte Steine wurden entdeckt, stark ausgewaschene Fugen, Hohlräume im Mauerwerk. Drei intensive Bauphasen hat das Gebäude seitdem hinter sich, nun fehlt noch eine vierte und letzte. „Es gilt, die restlichen 19 Meter der Kirchturmmauer bis zum Boden instand zu setzen“, weiß Lambrecht Kuhn. Er klingt entspannt: „Mal sehen, wie weit das Geld reicht. Die unteren Bereiche in der Mauer sind meist nicht so desolat“.

Mit etwa 280.800 Euro Kosten rechnet die Gemeinde für diesen letzten Schritt; wenn der beendet ist, wird sie rund 850.000 Euro aufgewendet haben. In der Gemeinde hat sich die Praxis der Patenschaften gegen Spende etabliert. Wer eine bestimmte Summe gibt, kann seinen Namen verewigen lassen: auf Stühlen, Ziegeln, Fenstern oder Turmstufen. Die Stiftung KiBa hat das Projekt schon 2008 und 2014 unterstützt. Sie fördert diesen letzten Sanierungsschwung ihrer „Kirche des Monats Februar 2020“ nun noch einmal mit 15.000 Euro.