„Das Gebäude vermittelt das Evangelium“
„Kirche des Monats September 2019“ in Wettenberg
Es begann mit einem Schreck: Wenige Tage vor der Konfirmation seiner Tochter fand Pfarrer Christoph Schaaf ein sehr großes Stück Putz da, wo es keinesfalls hingehört: auf dem Boden des Chorraums nämlich, in der Katharinenkirche im hessischen Wettenberg. „Warum ist das von der Decke heruntergekommen? haben wir uns natürlich gefragt und sofort eine Untersuchung veranlasst“, erinnert sich der Theologe. Die Konfirmation wurde sicherheitshalber in die Kirche nach Krofdorf verlegt, die Tochter war traurig darüber, aber: „Eine Panik mit 300 Menschen wollten wir nicht riskieren“.
Das war im April 2015. In der Folge wurden der Glockenstuhl der Katharinenkirche mit seinen drei Glocken saniert – die Schwingungen des Läutens hatte den Putz gelöst - und dabei gleich weiteren Handlungsbedarf ausgemacht: Ein Teil der Verschieferung des Glockenturms, genauer gesagt: der Bereich des unteren Turmkranzes, war schadhaft. „Das Gebäude mit seiner exponierten Lage am Berg ist Wind und Regen besonders stark ausgesetzt“, erklärt der Pfarrer, „da müssen wir nach jedem Sturm schauen, ob etwas kaputt ist“.
Die unverputzte Kirche aus Bruchsteinmauerwerk am nordöstlichen Hang der Gleiburg nahm in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ihren Anfang. Als die direkt in den Fels hinein gebaute gotische Kapelle nach gut 300 Jahren vergrößert werden musste, kam nur der Anbau eines Langhauses in nord-südlicher Ausrichtung in Frage. Daher hat die Katharinenkirche einen unüblichen, L-förmigen Grundriss. Auch der Aufbau des achtseitigen, verschieferten und mit goldenem Wetterhahn bekrönten Turms erfolgte in dieser Zeit zwischen 1619 und 1621. Das ursprünglich gotische Deckengewölbe wurde 1742 durch eine flache Holzdecke ersetzt.
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Katharinenkirche Krofdorf-Gleiberg Gleiberg
Den Innenraum der gern für Hochzeiten gewählten „Kirche des Monats September 2019“ prägen die reich verzierten, zweigeschossigen Emporen an der West- und Nordseite. Zwischen den Chorfenstern sind Wandmalereien zu sehen, die nach der Reformation zunächst übermalt worden waren. Darunter auch ein Bild der Heiligen Katharina, der Namenspatronin der Kirche. Die steinerne Altarmensa stammt aus dem Mittelalter, die mit Schnitzereien versehene Kanzel trägt den Spruch: „Wer diesen Stvl recht will beschreiden, mvs lehren, weren, leiden, meiden.“
Ob Pfarrer Christoph Schaaf seinen Dienst auf der Kanzel als „Leiden“ ansieht, darf indes bezweifelt werden. Eher mit Leidenschaft arbeitet er daran, „seine“ beiden Kirchen in der Gemeinde Krofdorf-Gleiberg zu bewahren und auch für „die Menschen heute ansprechend“ sein zu lassen. Dabei setzt er insbesondere auf die Kunst. In der Krofdorfer Kirche ist es ihm gelungen, sechs Fenster von dem zeitgenössischen Künstler Johannes Schreiter gestalten zu lassen. „Eines davon mussten wir zeitweise für die Weltausstellung „Zeitgenössische Glasmalerei in Deutschland“ in Chartres wieder ausbauen“, sagt der Theologe lächelnd.
Aber nicht der flüchtige Moment, sondern das auf Dauer angelegte Engagement treibt ihn an. 2006 gründete Schaaf die „Denkmalstiftung Evangelische Kirchen Krofdorf und Gleiberg“, der er gemeinsam mit dem stellvertretendem Vorsitzenden des Presbyteriums vorsteht. „Wir haben uns bewusst für diese langfristig angelegte Struktur entschieden. Mehr noch als ein Verein spricht eine Stiftung auch Menschen außerhalb der Gemeinde an und überdauert idealerweise Generationen“.
Selbstverständlich hat die Denkmalstiftung die Renovierung des Turmdaches der Katharinenkirche finanziell unterstützt. Für Spenden ist die gesamte Gemeinde aktiv. „Wir haben einen Strick- und Bastelkreis, dessen Produkte beim jährlichen Adventsbasar und dem historischen Gleibergfest großen Absatz finden“, lobt der Pfarrer. Auch die etwa 100 Jahre alten Schieferplatten, die im Zuge der Sanierung ausgetauscht, von Konfirmanden gesäubert und beschriftet wurden, werden gegen Spende abgegeben. Mithilfe eines Flyers warb man in der Gemeinde außerdem dafür, ein Stück des Kirchendachs zu „kaufen“; diese Aktion brachte bislang stolze 8.000 Euro in die Sanierungskasse.
Los ging es im April dieses Jahres: Ein Gerüst begann sich außen an der Katharinenkirche herauf zu ranken. Dachdecker entfernten die alten Schieferplatten, Zimmerer setzten die hölzernen Dachbalken instand, das Dach wurde neu eingedeckt. Die Stiftung KiBa förderte diese Maßnahmen mit 10.000 Euro. Insgesamt war das Projekt auf 125.000 veranschlagt, verblüffenderweise blieben die Kosten sogar ein wenig unter dem Plan. „Das ist natürlich ein großer Glücksfall für uns“, sagt Christoph Schaaf. So kann die Gemeinde noch zwei zusätzliche Sanierungsschritte tun: Da ist zum einen der Teil des Turms oberhalb des Daches. „Da reicht kein Gerüst mehr hin. Deshalb haben wir jetzt Fachleute engagiert, die mit Seilen hochklettern und die Schadstellen per Hand beseitigen“. Zweitens sollen die Fenster der Katharinenkirche instandgesetzt werden. Zwei davon sind so verrostet, dass sie sich nicht mehr öffnen lassen. „Um wieder eine richtige Durchlüftung des Innenraums zu bekommen, lassen wir das jetzt auch noch machen“.
Bevor die Maßnahmen an Fenstern und Turm beginnen, freut man sich in Wettenberg in diesem Sommer aber zunächst ausgiebig über die erfolgreich abgeschlossene Dachdeckung. „Dass die Kirche dicht und sicher ist, ist das Allerwichtigste“, betont der Pfarrer. Gefeiert wurde – pünktlich zum 400jährigen Bestehen des erweiterten Kirchenschiffs – insbesondere im Rahmen des alle fünf Jahre stattfindenden „Gleibergfests“ am 31. August und 1. September. „Die Kirche war offen, wir haben durch das Gebäude geführt, eine kleine Kirchenführerschrift präsentiert und Fotos von den Sanierungsmaßnahmen gezeigt“.
Die Hälfte seiner Lebenszeit, 27 Jahre, ist Christoph Schaaf in der Gemeinde im Kirchenkreis Wetzlar tätig. Beide zur Gemeinde gehörenden Kirchen liegen ihm sehr am Herzen. „Es sind nicht bloß irgendwelche Gebäude“, sagt er. „Sie haben selbst etwas zu sagen. Sie vermittelt auf ihre Weise etwas vom Evangelium und von dem, was ich am Sonntag in der Predigt mit Worten zu sagen versuche. Deshalb ist es wichtig, sie zu erhalten und weiter zu entwickeln.“