„Unbedingt besuchenswert“
KiBa-Kirche des Monats Oktober 2019 in Sandau
„Es ist erstaunlich, aber in der Kirche sind eigentlich immer Leute“, sagt Pfarrer Hartwig Janus über die St. Laurentiuskirche in Sandau (Sachsen-Anhalt). „Auch wenn in der Stadt tagsüber wenig los ist – die Kirche ist Treffpunkt, und das ist wichtig“. Auf dem Kirchberg als höchster Erhebung in Sandau aufragend, ist St. Laurentius der unangefochtene Mittelpunkt der kleinen Stadt an der Elbe, in der weniger als 900 Menschen leben. Konzerte und Ausstellungen finden in St. Laurentius regelmäßig statt, aber eben auch Familienfeiern und Klassentreffen.
Als Station auf der Straße der Romanik und am Elberadwanderweg gelegen, zieht die um 1200 erbaute Backsteinbasilika auch Auswärtige an. Rund 3000 Besucher kommen pro Jahr, ehrenamtliche Kirchenführerinnen und Kirchenführer heißen sie von Ostern bis zum Reformationstag jeden Tag von 10 bis 16 Uhr willkommen. „Tatsächlich sind wir in einem alternativen Reiseführer als ‚unbedingt besuchenswert‘ erwähnt, und das nicht, weil die Kirche besondere kunsthistorische Schätze zu bieten hätte, sondern weil man hier so besonders herzlich aufgenommen wird“, sagt Hartwig Janus lächelnd.
St. Laurentius Sandau
St. Laurentius Sandau
St. Laurentius Sandau
St. Laurentius Sandau
Doch auch die 1850 wiederhergestellte romanische Architektur der Kirche eine Sehenswürdigkeit, meint der Pfarrer. „Die romanischen Linien und Bögen sind in St. Laurentius klarer zu sehen als in anderen Kirchen, in denen Emporen oder Epitaphe hinzugebaut wurden“. Obwohl das Hauptschiff der Kirche bis vor wenigen Wochen für die Dachsanierung eingerüstet war, sind die Besucherzahlen „konstant gut geblieben“, meint der Pfarrer. Viele Pluspunkte also für die Sandauer Herzlichkeit. Und nicht zuletzt gibt es noch den Turm, der erst 2013 wieder in Betrieb genommen wurde und auch als Winterkirche dient. Er beheimatet regelmäßige Ausstellungen und das „höchste Storchennest in Sachsen-Anhalt“; außerdem können Besucher von oben weite Panoramablicke bis zu den Elbauen genießen.
Informationen über die Laurentiuskirche bieten nicht nur die Kirchenführer an: Seit einem Schulprojekt vor wenigen Jahren sind Turm, Kirchen- und Seitenschiffe der Laurentiuskirche mit QR-Codes versehen. Wer die mit seinem Smartphone aktiviert, erfährt einiges über die bewegte Geschichte des Gebäudes. Von niederländischen Kolonisten erbaut, wurde St. Laurentius der Klosterkirche Jerichow nachempfunden; vermutlich waren Mönche aus Jerichow am Bau beteiligt. Die Kreuzrippengewölbe im Chor kamen im Zuge eines Umbaus Mitte des 15. Jahrhunderts hinzu, bei einem Stadtbrand im Jahr 1695 wurde das Innere der Kirche stark beschädigt und im barocken Stil erneuert. Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Restaurierung, bei der romanische Elemente wiederhergestellt wurden.
Aufzuwarten hat die Gemeinde auch mit einem Reformator der ersten Stunde: Johannes Knipstro, 1497 in Sandau geboren, schlug sich früh auf die Seite Martin Luthers und war später maßgeblich am Aufbau der pommerschen Kirche beteiligt.
Der Westturm von St. Laurentius wurde erst in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs zerstört. Lange Jahre blieb die Ruine als Mahnmal, erst Anfang der 2000er Jahre entschied sich die Gemeinde für den Wiederaufbau. Bei den Sanierungsarbeiten am Kirchenschiffdach in den vergangenen Monaten hatte der Turm ein gutes Ausweichquartier für die Gottesdienste geboten. Inzwischen sind die Gerüste im Kircheninneren verschwunden, nun ist das Dach des Chors an der Reihe, und das lässt sich von außen bearbeiten. 160.000 Euro sind für die Renovierung dieses zweitens Teils veranschlagt, 15.000 Euro stellt die Stiftung KiBa zur Verfügung. Auch die Apsis und die Seitenschiffe stehen noch auf der Sanierungsliste der Sandauer, insgesamt gehen sie von Kosten in Höhe von 660.000 Euro aus.
Pfarrer Hartwig Janus ist froh, dass die Gemeinde ihre Kirche wieder in Betrieb nehmen kann. Auch wenn die Sanierungsarbeiten noch eine Weile andauern: Das Landesjugendmusikfest und der Erntedankgottesdienst werden wieder da stattfinden, wo sie hingehören. Und es gibt wieder einen Grund mehr für Touristen, die „unbedingt besuchenswerte“ Kirche zu besichtigen.