Von Napoleon, Wagner und lästigen Tauben
Um die Stadtkirche in Magdala ranken sich viele Geschichten
Vieles Staunenswerte hätte sie zu berichten, die Kirche St. Johannis im thüringischen Magdala, wenn sie denn sprechen könnte. Zum Beispiel, wie Napoleon seinerzeit das hölzerne Gestühl aus ihrem Inneren hat reißen lassen, um seinen frierenden Soldaten ein großes Feuer anzünden zu können. Oder wie Richard Wagner, auf der Flucht vor der Polizei von Franz Liszt im alten Gutshaus versteckt, in Ermangelung anderer Instrumente heimlich auf der Orgel spielte. – Viele bemerkenswerte Geschichten sollen sich zugetragen haben rund um die Stadtkirche, deren Geheimnisse heute nur noch fragmentarisch und mit Fragezeichen versehen überliefert sind.
St. Johannis Magdala
St. Johannis Magdala
St. Johannis Magdala
St. Johannis Magdala
St. Johannis Magdala
St. Johannis Magdala
Hoch betagt muss man sein, um solche Geheimnisse zu haben, und das ist die große Saalkirche, die die Stiftung KiBa als „Kirche des Monats Juli“ würdigt, allemal. So weit zurück liegen ihre Anfänge, dass auch darüber vielfältig spekuliert werden kann: Einige Elemente, insbesondere die Sakristei, gehen sehr wahrscheinlich auf das 14. Jahrhundert zurück, der Kirchturm soll einst sogar Bestandteil einer Wehranlage gewesen, und erst später seiner heutigen Bestimmung zugeführt worden sein. Als sicher gilt, dass 1516 ein neuer Kirchenbau im spätgotischen Stil entstand, und dass das Innere im 18. Jahrhundert nach Gusto des Barock umgestaltet wurde. Der Kirchensaal mit seinem Holztonnengewölbe besitzt bis heute eine hervorragende Akustik und beeindruckt optisch außerdem durch den aus dem Jahr 1739 stammenden Kanzelaltar, der aus einem hohen, von großen Säulenpaaren flankierten Aufbau besteht.
Es wundert nicht, dass in St. Johannis mehr Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen, aber auch Konzerte und sonstige Veranstaltungen stattfinden als in den übrigen zum Kirchengemeindeverband Magdala im Kirchenkreis Jena gehörenden Gebäude – und das sind insgesamt ganze 13, also nicht eben wenige. Die Stadtkirche ist Pfarramtssitz und damit das Herzstück des neu gegründeten Verbands, dessen Mitgliederzahlen, der allgemeinen Entwicklung erfreulich trotzend, zunehmen.
Aber auch für Durchreisende der heutigen Zeit ist die Kirche ein attraktiver Anlaufpunkt. „Viele Touristen kommen gezielt hierher“, berichtet Gemeindepfarrer Martin Krautwurst, „aber es gibt auch einige, die auf der Autobahn unterwegs sind und sich spontan vom Namen unserer Stadt bewegen lassen, hier kurzfristig Station zu machen“. Das Ortsschild „Magdala“, lässt an die Bibel und an Israel denken - und es weckt offenbar den Wunsch, mehr zu erfahren über das so benannte Städtchen. Und auch wenn deutlich wird, dass die ersten Assoziationen nicht weiter führen und der Ort seinen Namen der althochdeutschen Bezeichnung für „Mädchen am Wasser“ verdankt, hat wohl noch niemand den Abstecher bereut.
Was im Wesentlichen an der sehenswerten und glücklicherweise durchgängig offenen Kirche liegt. Um ihre Anziehungskraft ungeschmälert zu erhalten, bedarf es allerdings immer wieder einiger Anstrengung. Nachdem Kirchenschiff und Orgel in den vergangenen Jahren mit viel Engagement der Gemeinde saniert worden sind, ist es nun der Turm, der sein Recht fordert. Erhebliche Schäden am Gebälk gefährden die Statik. Und während menschliche Besucher Zugang nur noch auf eigene Gefahr erhalten, werden offene Stellen im Turm von tierischen Gästen wie zum Beispiel Tauben gern und dauerhaft angenommen. Im Juli, hofft der Pfarrer, wird dieser Zustand mit der beginnenden Einrüstung des Turms ein Ende haben. Rund 95.000 Euro sind für die Wiederherstellung der Statik veranschlagt, die Stiftung KiBa beteiligt sich mit 16.900 Euro. Dieser erste Schritt des „Stufenplans“ für den Turm ist Pflicht, doch Desiderate für die Kür sind durchaus schon vorhanden. „Sehr gern würden wir ein elektrisches Geläut einbauen“, nennt Martin Krautwurst eines davon. Bislang wird in Magdala nämlich noch per Hand geläutet, jeden Samstag. Das hat zwar Charme, meint der Pfarrer, wird der herausgehobenen Position von St. Johannis mit seinen zahlreichen Veranstaltungen aber auf Dauer nicht mehr gerecht.