Dach und Zukunft für Gemeinschaft
„KiBa-Kirche des Monats Mai 2023“ in Niedenstein
Die Ziegel sind schon ausgesucht: schön dunkel sollen sie sein, dem Originalfarbton entsprechend und passend zum Umfeld. Der Statiker ist just noch einmal in die Höhe gestiegen und hat letzte Blicke geworfen; die Dachdecker-Firma ist beauftragt. Sobald die Handwerker Zeit und Material haben, geht es los mit der Sanierung des Daches für die Stadtkirche im nordhessischen Niedenstein. Und dabei soll nicht gekleckert werden: „Das komplette Dach samt Dachstuhl ist jetzt an der Reihe“, sagt Dirk Grunewald. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstands der Gemeinde, leitet außerdem den „Förderkreis Kirche Niedenstein“ - und hat einiges zu tun. Seit fünf Jahren sammeln er und seine Mitstreiter Geld für die Instandsetzung der Stadtkirche; Türen, Außenwände und Orgel sind schon restauriert. Auch das Dach, das in diesem Jahr folgen soll, ist „durchfinanziert“.
Wie das gelingen konnte? „Unser Pfarrer Johannes Böttner hat viele Ideen“, sagt Dirk Grunewald und lacht. Und es gibt viel Unterstützung: Im Winter findet der Weihnachtsmarkt statt, bei dem Glühwein und „Kirchenmarmelade“ verkauft werden, auch Taschen mit dem Konterfei der Stadtkirche (und ihrer zur Gemeinde gehörigen Schwester in Wichdorf) werden gegen eine Spende abgegebem. Im Sommer gab es ein großes Tauffest mit 14 Täuflingen (für die dann später 14 Apfelbäume gepflanzt wurden), auch ein solches bietet die Gemeinde im Juni erneut an. Konzerte und Ausstellungen stehen ohnehin regelmäßig im Jahresplan der Gemeinde. „Wenn man die Menschen einbindet, dann kommt einiges an Spenden zusammen“. Manchmal, berichtet Grunewald „geben Leute unfassbar viel, teilweise auch solche, die nicht mal mehr in der Kirche sind.“ 822.000 Euro sind für die Dachsanierung veranschlagt; insgesamt werden sich die Kosten für die Arbeiten am Ende auf rund 1,6 Millionen Euro belaufen. Die Stiftung KiBa fördert ihre „Kirche des Monats Mai 2023“ in diesem Jahr mit 10.000 Euro.
Stadtkirche Niedenstein
Stadtkirche Niedenstein
Stadtkirche Niedenstein
Stadtkirche Niedenstein
Stadtkirche Niedenstein
Stadtkirche Niedenstein
Die evangelische Kirche im alten Ortskern von Niedenstein wurde 1269 erstmalig aktenkundig, im Dreißigjährigen Krieg allerdings mehrfach zerstört und erst 1777 wieder aufgebaut. Das handgeschnitzte Eichengestühl hielt zusammen mit Empore und Kanzel im Jahr 1831 Einzug, die Orgel folgte 13 Jahre später. Als „Kultur- und Wanderkirche“ am „Premium-Wanderweg Habichtswaldsteig“ ist das Gotteshaus täglich für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Nach der Sanierung spekuliert die Gemeinde auch auf Touristen, die mit dem Rad vorbeikommen. „Wir wollen bekannter werden“, sagt Dirk Grunewald. Hauptsächliches Ziel aller Bemühungen aber ist es, weiterhin „Gemeinschaft zu bilden“. Gemeinschaft, wie sie in Niedenstein rund um die Kirche offensichtlich gedeiht und blüht - in einer Selbstverständlichkeit, von der andere Gemeinden nur träumen können.
Dirk Grunewald ist sich dieser Besonderheit bewusst. „Hier sind alle Altersgruppen engagiert, von acht bis 80 Jahren, und darüber hinaus“. Er selbst lebt seit 58 Jahren mit dem Gotteshaus. „Wir haben als Kinder rund um die Kirche gespielt, hier habe ich Radfahren gelernt. Meine Mutter sagte immer: ‚Wenn es läutet, kommst du heim‘. Die Kirche ist für mich - wie für viele andere hier - ein fester Bestandteil des Lebens“.
Gern hätte die Gemeinde übrigens auf dem neuen Dach gleich eine Photovoltaik-Anlage einbauen lassen. „Der Speicher für Heizung ist derzeit nicht lieferbar und wäre auch zu groß geworden“, berichtet Grunewald. Immerhin: „Es wird jetzt alles so vorbereitet auf dem Dach, dass wir das jederzeit nachholen können.“ Damit hat man in Niedenstein gleich mehrfach für die Zukunft vorgebaut.