Wo Johann Tetzel Ablassbriefe verkaufte
„KiBa-Kirche des Monats Oktober 2021“ in Jüterbog
Die Geschichte geht so: Martin Luther hatte den Verkauf von Ablassbriefen in Wittenberg untersagt. Weil der Dominikanermönch Johann Tetzel - bekanntlich damit beauftragt, Geld für den Bau des Petersdoms in Rom einzutreiben - seine Ablassbriefe daraufhin im benachbarten brandenburgischen Jüterbog anbot, gingen immer mehr Gemeindeglieder Luthers dorthin, um die Sündenvergebungspapiere zu erwerben. Das, so schreibt Luther in seinen „Tischreden“, habe ihn zur Veröffentlichung seiner berühmten 95 Thesen veranlasst...
Heute verbindet ein „Luther-Tetzel-Weg“ die längst nicht mehr konkurrierenden Städte Wittenberg und Jüterbog; eine maßgebliche Station darauf ist St. Nikolai. Die „Kirche des Monats Oktober 2021“ ist eine große, dreischiffige Hallenkirche, die die Altstadt von Jüterbog überragt. 1307 wurde sie zwar schon in Urkunden erwähnt, die Weihe der Kirche fand aber vermutlich erst im Jahr 1488 statt. Die Türme im Westen standen zunächst separat und wurden erst später mit dem Kirchenschiff verbunden. Sie prägen die Gestalt der Kirche insbesondere durch ihre beiden unterschiedlichen „Hüte“. Während der Südturm spitz in den Himmel ragt, trägt sein nördlicher Bruder eine Schweifhaube im Stil der Renaissance (das ursprünglich ebenfalls spitze Dach war offenbar mangelhaft konstruiert). In der denkmalgeschützten und täglich für Besucherinnen und Besucher offenen Kirche soll Johann Tetzel nicht nur für seine Ablässe geworben, sondern auch gepredigt haben. Eine kleine Seitenkapelle von St. Nikolai beherbergt einen seltenen, erhaltenen Ablasskasten, in dem der Dominikaner das Geld für seine Ablassbriefe sammelte.
St. Nikolai Jüterbog
St. Nikolai Jüterbog
St. Nikolai Jüterbog
St. Nikolai Jüterbog
Geld sammeln, das muss die Gemeinde auch heute – allerdings nicht für Glanz und Gloria im fernen Rom, sondern für die eigenen Kirche, die saniert wird. „Es geht immer ums Dach“, sagt Pfarrer Tileman Wiarda. „Teile davon werden abgedeckt, die Hölzer untersucht und, wo nötig, ersetzt, dann wird neu eingedeckt.“ Eine große Kirche, ein großes Dach: Drei Bauabschnitte waren vorgesehen, inzwischen gehen die Planer von fünf oder sechs aus. „Wir hatten damit gerechnet, bis zu 20 Rippenbögen zu schaffen, tatsächlich sind es aber 12 oder 16“, weiß Wierda. Im Moment ist der Teil des Daches über der Apsis an der Reihe und die Bedeckungen der Seitenkapellen. Diesen „besonders komplizierten“ Bauabschnitt fördert die Stiftung KiBa mit 15.000 Euro.
Vor Beginn der Pandemie konnten die Fundraiser der Gemeinde mit Ausstellungen, klassischen Konzerten und Dachstuhlführungen dafür sorgen, dass Spenden für die Renovierung von St. Nikolai flossen. „Es gab auch einmal eine Stummfilm-Vorführung, die mit Orgelmusik begleitet wurde“, erinnert sich Wiarda, der seit drei Jahren für die Stadtkirche zuständig ist. Sobald möglich, möchte er auch alte Ziegel des Kirchendachs gegen Spenden abgeben: „Es ist immer gut, wenn die Leute etwas in die Hand bekommen für ihre Geldgabe.“
Immerhin: Veranstaltungen sind in der Nikolaikirche inzwischen wieder möglich. Das erste Benefiz-Konzert wurde für die Opfer der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen veranstaltet, bald soll auch zugunsten der Sanierung wieder musiziert werden. „Die Abstandsregeln einzuhalten ist in St. Nikolai jedenfalls kein Problem“, sagt der Pfarrer. Eine große Kirche kann also auch von großem Vorteil sein in diesen Tagen.