Stadtkirche St. Marien zu Gräfenthal (Thüringen)
Stadtkirche St. Marien zu Gräfenthal (Thüringen)

Ein „kariöser“ Turm wird instandgesetzt

„Kirche des Monats August 2022“ in Gräfenthal

Sie wohnt in einem Schloss, in dem sogar schon Martin Luther übernachtete: Christiane Wehr lebt auf Schloss Wespenstein im thüringischen Gräfenthal. Zwei Mal nächtigte der große Reformator dort, als er Gräfenthal auf Reisen durchfuhr. Heute ist der überwiegende Teil des herrschaftlichen Bauwerks, in dem einst das Adelsgeschlecht der von Pappenheim residierte, ein Museum, betont die Diakonin der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde und lacht. Aber es gibt einen Schlossherrn (ihren Ehemann), und mit ihr eben auch eine Schlossdame. Während er sich um das Museum kümmert, hat sie – auch wortwörtlich – insbesondere ein Gebäude im Blick, das nicht nur räumlich eng mit ihrem Wohnsitz verbunden ist: die Stadtkirche St. Marien. Seit gut zwölf Monaten ist Christiane Wehr dort als Diakonin tätig, dem Gemeindekirchenrat gehört sie schon ein paar Jahre länger an.

Die „KiBa-Kirche des Monats August 2022“ befindet sich nur etwa 100 Meter vom Schloss entfernt etwas erhöht im Zentrum von Gräfenthal. Zunächst als Wallfahrtskapelle um 1340 noch in einem Ablassbrief genannt, wurde St. Marien „recht zeitig“ protestantisch, weiß Christiane Wehr. Schon 1525 führte Sebastian von Pappenheim die Reformation in Gräfenthal ein; Martin Luther predigte am Gründonnerstag 1530 dort (nach seiner Nacht im Schloss).

Der Turm der ehemaligen Wehrkirche trägt die Jahreszahl 1518; er war ursprünglich ein Teil der Stadtbefestigung und steht leicht versetzt zum Kirchenschiff. Ältester erhaltener Teil des Gotteshauses ist die gotische Krypta, die sich unter dem Chor befindet und vermutlich 1461 errichtet wurde. Diesen Raum nutzten die von Pappenheimer als Grablege; die vermutlich zunächst dort aufgestellten Epitaphien finden sich nun an den Wänden im Altarraum der Kirche. Der letzte regierende Graf von Pappenheim der Gräfenthaler Linie, Christoph Ullrich, starb 1599 und ist mit seiner Frau Magdalena auf einem Epitaph gegenüber vom Haupteingang St. Mariens dargestellt.

Stadtkirche St. Marien Gräfenthal

Stadtkirche St. Marien Gräfenthal

Stadtkirche St. Marien Gräfenthal

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Stadtkirche St. Marien Gräfenthal

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Im Laufe der Jahre baufällig geworden, musste die Stadtkirche mit der dreigeschossigen Empore im 18. Jahrhundert neu errichtet werden. In den Jahren 1724 bis 1731 erhielt sie ihre heutige barocke Form. Zur Finanzierung des Kirchenbaus soll es eine Abgabe von einem Heller auf ein Maaß Bier gegeben haben.

Ganz so einfach geht es heute nicht mehr mit der Beschaffung finanzieller Mittel für die notwendige Sanierung des Gotteshauses, für die fast 400.000 Euro veranschlagt sind. Die Stiftung KiBa stellt 10.000 Euro zur Verfügung. Um Spenden bittet die Gemeinde im aktuellen „Kirchenboten“, im September ist ein Benefizkonzert geplant. Diakonin Christiane Wehr steht außerdem in Kontakt mit örtlichen Handwerkermeistern: Sie möchte ein „Kirchenmodell“ bauen lassen, das als Behältnis für Geldgaben eingesetzt werden kann und idealerweise auch den jeweiligen Spendenstand anzeigt. Außerdem gibt es Überlegungen, auch die Baustelle ins „Fundraising“ mit einzubeziehen: „Zum Beispiel könnten Personen, die gespendet haben, eine Freifahrt mit dem Baufahrstuhl am Gerüst den Turm hinauf bekommen und die Kirche und die Gegend von ganz oben betrachten.“

Noch ist diese Himmelfahrt indes den für die Sanierung Verantwortlichen vorbehalten. Auch der zuständige Pfarrer Christian Göbke ist schon zwei Mal bis zur Turmhaube mit hinaufgefahren, beratungshalber. Der Grund: Die Balken dort sind von innen angefault. „Das hatte man von außen nicht sehen können“, sagt Göbke. „Wäre ich Zahnarzt, würde ich sagen: Der Turm hat Karies.“ Dach und Fassade des Turms stehen im Mittelpunkt der Instandsetzungsarbeiten. Diakonin Wehr ist sehr froh darüber: „Wenn die Schäden nicht entdeckt worden wären, hätten früher oder später die Dachbalken nachgegeben und die gesamte Turmhaube wäre heruntergestürzt.“

In der Gemeinde bietet St. Marien den einzig verbliebenen großen Raum für Gottesdienste und für Veranstaltungen allgemein. Es gibt in Gräfenthal zwar nur noch eine halbe Pfarrstelle, aber doch noch genug Menschen, die sich für die denkmalgeschützte Kirche engagieren. „Jeden Samstag kommt ein Nachbar auf den Turm, um die Uhr zu pflegen und neu aufzuziehen“, berichtet Christiane Wehr. „Er bringt inzwischen oft auch einen Schüler mit, damit der diese Aufgabe auch übernehmen kann.“ Sie selbst hat ebenfalls seit Mai Unterstützung für ihre Gottesdiensttätigkeit erhalten: Ein ehemaliger Konfirmand begleitet sie nun regelmäßig an der Orgel. Verzagt ist die Diakonin daher kein bisschen: „Das sind doch Hoffnungszeichen!“