Kirchenliebe geht durch den Magen
„Kirche des Monats Januar 2022“ in Trailfingen
Statt der Panzer kommen Touristen. Im württembergischen Dorf Trailfingen freut man sich über einen guten Wandel: Wo früher ein angrenzender Truppenübungsplatz für Unruhe sorgte, beginnt heute das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Wer den Hauptfahrradweg vom Ermstal durch die Trailfinger Schlucht nimmt, kommt direkt an der Andreaskirche vorbei, die mit dem Friedhof und umgebender Kirchhofmauer ein malerisches Ensemble mitten im Dorf bildet. Einladend! Pause machen und hineinschauen – kein Problem: Das Gotteshaus ist immer für Besucherinnen und Besucher geöffnet.
Die Geschichte der Kirchen an diesem Platz beginnt mit einem offenbar mächtigen Menschen namens Waldo, der dem fränkische Reichskloster Lorsch um das Jahr 770 eine Kapelle schenkte. Im Zuge einer Vergrößerung wurde an den wahrscheinlich romanischen Turm 1440 ein Chor samt Schiff in spätgotischem Stil angebaut. Anfang des 20. Jahrhunderts entschied sich die Gemeinde für eine noch größere Kirche. Niemand Geringerer als der junge Martin Elsässer, damals Berater des Vereins für christliche Kunst der württembergischen Landeskirche, übernahm das Projekt. Im Februar 1908 legte er Pläne für die Erneuerung des Kirchenschiffes mit Einbeziehung des gotischen Chors und des Turms vor. Und schon zu Weihnachten konnte der 250 Sitzplätze zählende Neubau aus gemauertem Tuffstein seiner Bestimmung übergeben werden.
Andreaskirche Trailfingen
Andreaskirche Trailfingen
Andreaskirche Trailfingen
Andreaskirche Trailfingen
Andreaskirche Trailfingen
Andreaskirche Trailfingen
Andreaskirche Trailfingen
Andreaskirche Trailfingen
„Martin Elsässer hat eine atmosphärisch sehr warme Kirche gebaut“, findet die für Trailfingen zuständige Pfarrerin Maren Müller-Klingler. „Der Raum hat auch bäuerliche Elemente, die Deckenbemalung ist freundlich – man kann sich gut vorstellen, dass es seine Absicht war, eine Art Wohnzimmer für die Gemeinde zu schaffen.“ Ein Wohnzimmer, dass ohne Zweifel angenommen wird, beliebt und belebt ist – und gleichzeitig durch seine lange Geschichte imponiert. „Wenn ich im Turm stehe und mich frage: Wer hat diese Steine gesetzt? Das ist schon bewegend“, sagt die Pfarrerin. „So viele Generationen haben die Andreaskirche genutzt und erhalten! Diesen Staffelstab wollen auch wir weitergeben.“
Damit das gelingt, wagt sich die kleine, nur rund 300 Menschen umfassende Gemeinde an ein großes Vorhaben: Der Dachstuhl des Kirchenschiffs muss instandgesetzt werden, der Turm braucht einen neuen Putz. Im Frühjahr, schätzt Maren Müller-Klingler, können die ersten Dachbalken saniert werden und die Renovierung im oberen Teil des Kirchturms beginnen. Rund 290.000 Euro sind für diesen ersten von drei Bauabschnitten vorgesehen, den die Stiftung KiBa mit 10.000 Euro fördert. Insgesamt rechnet die Gemeinde mit Kosten in Höhe von 900.000 Euro.
Was tun, wenn so viel Geld gebraucht wird? Das Rezept der Trailfinger lautet: Singen, kochen und essen. Seit vielen Jahren halten sie es so. Es singt - wenn möglich gern mehrfach im Jahr: der Kirchenchor. Der Erlös der Konzerte geht in den Spendentopf für die Sanierung der Andreaskirche. Es kochen und essen: sehr viele Gemeindemitglieder. „Wir verbinden den Spendenzweck gern mit einer schönen, großen Geselligkeit“, sagt die Pfarrerin. Berühmt ist vor allem das traditionelle Maultaschenessen am 2. Advent, zu dem auch Hungrige von außerhalb kommen. Im vergangenen Jahr herrschte Pandemiepause, doch üblicherweise werden Maultaschen und („waschkörbeweise“) Kartoffelsalat kredenzt und vertilgt (es profitieren: Gaumen und Kirche). Auch beim „Herbstscheunenfest“ setzen die Spendensammler auf Kulinarisches, backen Brot, kochen Marmelade und stellen Essig her. Ganz sicher schmeckt es den Käuferinnen und Käufern dieser Köstlichkeiten, dass sie mit ihrem Geld gleichzeitig die Andreaskirche unterstützen. „Es ist keine Frage“, sagt Maren Müller-Klingler: „Die Gemeinde will die Kirche nutzen!“