Mehr als eine Kulisse
„Kirche des Monats November 2021“ in Netzow
Eine Entführung, Mord, Gewalt – und die Kirche im brandenburgischen Dorf Netzow mittendrin. Millionen Menschen haben es mit eigenen Augen gesehen. Wie das sein kann? Ganz einfach: 2008 wurden weite Teile des vielfach prämierten Kinofilms „Das weiße Band“ in Netzow gedreht; in dem beklemmenden Drama von Michael Haneke ist das mittelalterliche Gotteshaus ein zentraler Schauplatz. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg spielt die Schwarz-Weiß-Produktion; das Dorf in der Prignitz soll aus rund 400 möglichen Drehorten ausgewählt worden sein. Das Filmteam war auf der Suche nach einem Schauplatz gewesen, der möglichst wenig Einflüsse des modernen Alltags aufweist. Für die Dreharbeiten, heißt es, sei sogar die geplante Asphaltierung der Straße verschoben worden: Kopfsteinpflaster war plötzlich gefragt.
Nicht durchweg begeistert waren die knapp 300 Bürgerinnen und Bürger von Netzow von der Invasion des Filmteams, so ist es im Internet zu lesen. 30 Tage währte sie. Nicht nur, dass die langersehnte Asphaltstraße nun noch länger ersehnt werden musste: Die Filmcrew zog einen Zaun um das gesamte Dorf, ließ Hühner und Schafe frei herumlaufen. Auch der Geruch muss bisweilen den historischen Gegebenheiten entsprochen haben.
Dorfkirche Netzow
Dorfkirche Netzow
Dorfkirche Netzow
Dorfkirche Netzow
Dorfkirche Netzow
Dorfkirche Netzow
Netzow liegt am östlichen Rand des UNESCO-Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe in Brandenburg und ist das, was gemeinhin als ein „beschauliches“ Dorf gilt. Die Feldsteinkirche in der Mitte des Ortes – „Kirche des Monats November 2021“ der KiBa – stammt aus dem 15. Jahrhundert, das Domkapitel Havelberg hatte den Bau veranlasst. 1884 wurde das Gotteshaus nach Osten um einen rechteckigen Chorraum erweitert.
Die Kirche ist für die Gemeindemitglieder weit mehr als eine Kulisse: Für die Sicherung und Sanierung des Westturms haben sie seit vielen Jahren Geld gesammelt und wo sie selbst Hand anlegen konnten, dies getan. Nun sind indes die Fachleute gefragt: Das Mauerwerk des Turms muss verankert werden, Ausbeulungen sind zu beseitigen und der Dachstuhl zu sichern. Knapp 300.000 Euro wird die Restaurierung gekostet haben, wenn sie beendet ist. Die Stiftung KiBa unterstützt den ersten Bauabschnitt in diesem Jahr mit 15.000 Euro.
Häufiger öffnen wollen die Verantwortlichen das Gotteshaus, wenn es fertig saniert ist, auch Andachten, Konzerte und Lesungen sind geplant. Und eine Ausstellung zu den Dreharbeiten für „Das weiße Band“. Ein bisschen stolz ist man offenbar doch auf dieses besondere Kapitel der Dorf- und Kirchengeschichte.