Predigt- und Kulturort im Mittelpunkt der Stadt
„Kirche des Monats November 2022“ in Leer
Drei stolze Masten ragen in den ostfriesischen Himmel. „Schepken Christi“ heißt der eiserne Großsegler ganz oben auf dem Turm der evangelischen Großen Kirche in Leer: Schiff Christi. Er zeigt, aus welcher Richtung der Wind bläst und auch, welche theologischen „Winde“ in der Kirche wehen. Denn das „Schepken Christi“ ist das Logo der Evangelisch-reformierten Kirche. (Im Original ist es ein Relief an der Großen Kirche in Emden, das Glaubensflüchtlinge im Jahr 1665 als Dank für ihre Aufnahme stifteten.)
Seit 1787 prägt der schlichte, barocke Zentralbau das Stadtbild in Leer als ein Wahrzeichen. Nicht nur ganz oben, auch ganz unten liegen seine auf die reformierte Theologie weisenden Besonderheiten: Der Grundriss beschreibt ein griechisches Kreuz. Die Kanzel in der Mitte der Kirche und das Gestühl, das auf sie ausgerichtet ist, demonstrieren die reformierte Tradition, die die Predigt von Gottes Wort ins Zentrum des Gottesdienstes stellt. Die acht Eckbereiche der Kirche sind durch Kreissegmente gefüllt, sodass das Gebäude statt eines kantigen, einen fast runden und sehr einladenden Charakter hat. Diese bemerkenswerte Bauweise stammt aus den Niederlanden; ein Vorbild war insbesondere die schon im 17. Jahrhundert errichtete Noorderkerk in Amsterdam.
Als Altstadtkirche ist die Große Kirche Teil fast jeder Stadtführung. Während sie ohne Altar, Kreuz und Bilder – also ohne viel Unterhaltung für die Augen - auskommt, bietet sie den Ohren ihrer Besucherinnen und Besuchern umso mehr Genuss: Ihre hervorragende Akustik macht sie zu einem überregional sehr beliebten Ort für Lesungen, Vorträge und Konzerte jeder Art. „Alle sind begeistert von der Akustik“, sagt Kirchenratsmitglied Heinz Palm. 680 Sitzplätze stelle das Gotteshaus für Gäste zur Verfügung, und die würden immer wieder gern genutzt. „Die Große Kirche hat einen unwahrscheinlich hohen öffentlichen Zuspruch, auch als Kultur- und Konzertraum.“
Heinz Palm, ehemals hauptamtlicher Bürgermeister der Nachbargemeinde Moormerland, wohnt nahe der Kirche und hat viele Ehrenämter in der Kirchengemeinde übernommen. Als Vorsitzender des örtlichen Kirchbauvereins kümmert er sich besonders um die derzeitige Sanierung der Großen Kirche, die er gern „mein Herzstück“ nennt. Sorgen hatten ihm und den anderen Verantwortlichen die Konstitution des Gebäudes gemacht: Das Dach musste neu gedeckt werden – nach den Vorgaben des Denkmalschutzes waren dafür handglasierte Tonhohlpfannen notwendig. Dabei wurden auch die Grate und Firste neu mit Blei hergestellt. Außerdem sollten die Fassade restauriert und die Kirchenfenster gestrichen werden. 550.000 Euro waren dafür aufzubringen; die Stiftung KiBa fördert das Projekt mit 15.000 Euro. Inzwischen ist Land in Sicht: Ende November sollen die Arbeiten beendet sein, sagt Palm. Dann ist die Kirche gänzlich wiederhergestellt - und das „Schepken Christi“ kann weiterhin unbeschadet seinen Kurs durch die Lüfte nehmen.