Historischer Kirchturm soll gerettet werden
„Kirche des Monats Oktober 2022“ in Zirchow
Lyonel Feininger muss fasziniert gewesen sein. Sieben Mal malte er sie, Öl auf Leinwand. Damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Heute findet sich eines dieser Bilder im Brooklyn Museum in New York. Um das von ihm so hoch geschätzte Motiv - die St. Jacobus-Kirche in Zirchow auf der Insel Usedom - steht es indes nicht sehr gut. „Wir haben hier ein Baudesaster“, sagt Pastor Henning Kiene unverblümt. Baustelle statt Malermotiv – was ist geschehen?
Die Geschichte der nach dem Schutzheiligen der Pilger, Jakobus, benannten Inselkirche beginnt nicht erst mit dem berühmten Maler, sondern schon im 13. Jahrhundert. Das Kirchenschiff wurde 1280 aus Feldsteinen errichtet, die Wände sind mehr als einen Meter dick: Zu Beginn schützte das Gotteshaus die Zirchower vor räuberischen Übergriffen und konnte von innen mit Balken verbarrikadiert werden. Der massive, quadratische Turm kam im 15. Jahrhundert hinzu; er wurde später mit einer barocken Haube bekrönt. Unter dem Putz im Inneren sind Reste mittelalterlicher Wandmalereien freigelegt.
Besucht und bestaunt wird St. Jacobus normalerweise vielfach, besonders im Sommer, von abwechslungshungrigen Feriengästen und von Menschen, die die „Via Baltica“ entlangwandern, einen Teil des Jakobusweges. Die Gemeinde nimmt die Wanderer von nah und fern gastfreundlich auf, die Kirche mit dem passenden Namen ist von Mai bis November durchgehend geöffnet. So weit, so gut.
St. Jacobus Zirchow
St. Jacobus Zirchow
St. Jacobus Zirchow
St. Jacobus Zirchow
St. Jacobus Zirchow
St. Jacobus Zirchow
St. Jacobus Zirchow
Die Anfänge des sich heute zum „Baudesaster“ ausgewachsenen, dramatischen Zustands der Zirchower Dorfkirche könnten in den 90er Jahren liegen. Die damaligen Instandsetzungsarbeiten am Turm wirkten nicht nachhaltig: Schiefertafeln auf dem Dach ließen Wasser eindringen. „In meinem ersten Sommer hier 2019 war das noch nicht zu erkennen“, erinnert sich Henning Kiene, „aber in den Folgejahren kam der Schaden schnell zum Vorschein“. Fast schlimmer noch: Der Übergang zwischen dem fast quadratischen hölzernen Dachstuhl des Turms und seiner achteckigen Haube wurde nicht sorgfältig genug bearbeitet. „Da hat man zum Beispiel eine Schraube in einen Hohlraum gedreht.“ Im Laufe der Jahre seien aus kleinen große Schäden geworden. „Wir haben mit vielem gerechnet, aber damit nicht“, sagt der Theologe. Eigentlich müsse der Dachstuhl abgenommen und neu gebaut werden, „aber das ist natürlich nicht im Sinne des Denkmalschutzes“.
Wie ist der Turm zu retten? Verschieben kann man das Projekt jedenfalls nicht: „Die Gerüste stehen jetzt, wir müssen das machen.“ Die Lösung des Problems könnte darin bestehen, einen Ring um die schadhaften Turmteile zu bauen und die Statik zu stabilisieren. „Der Zimmermann muss viel Holz liefern“, sagt Kiene lächelnd. Er bedauert, dass nicht auch die Zirchower selbst Hand anlegen können. Freiwillige Arbeitsstunden, meint er, würden hier viele sehr gern leisten: „Christen und Heiden – alle wollen, dass der Turm bleibt!“
Turmsanierung an der St. Jacobus-Kirche Zirchow im Kreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern)
Turmsanierung an der St. Jacobus-Kirche Zirchow im Kreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern)
Turmsanierung an der St. Jacobus-Kirche Zirchow im Kreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern)
Turmsanierung an der St. Jacobus-Kirche Zirchow im Kreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern)
Turmsanierung an der St. Jacobus-Kirche Zirchow im Kreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern)
Auch die KiBa wird helfen: 10.000 Euro stellt sie für die Sanierung ihrer „Kirche des Monats Oktober 2022“ bereit. Optimistisch ist Pastor Kiene auch deshalb, weil die für das Bauprojekt Verantwortlichen „umzingelt“ seien von Expertinnen und Experten. „Wir bekommen für die denkmalgeschützte Kirche sehr viel Unterstützung“. Die Handwerker vor Ort haben Erfahrungen gesammelt bei den Instandsetzungen der etwas mehr im Rampenlicht stehenden Kirchen in den Kaiserbädern und im benachbarten Benz – „diese ausgeprägte Expertise, die in diesen Sanierungen gesammelt wurde, kommt uns jetzt zugute“.
Obwohl sie derzeit eine nach allen Regeln der Kunst ausgewiesene Baustelle ist, bleibt die Dorfkirche in Zirchow doch weiter eine Attraktion. Anfang Oktober wird die Gemeinde nach dem Erntedank-Gottesdienst ein großes Fest feiern mit Kuchen, musizierenden Kindern und der Möglichkeit, das eigentlich gesperrte Gotteshaus von innen und außen zu anzuschauen. Henning Kiene hofft, dass bei dieser Gelegenheit auch einige Spenden zusammenkommen. „Wir werden nun natürlich mehr Geld brauchen als ursprünglich veranschlagt.“ Immerhin handelt es sich um die älteste Kirche auf Usedom, und die „wollen wir natürlich für die Nachwelt erhalten“.