Vielgeliebt und charmant
„KiBa-Kirche des Monats August 2020“ in Visquard
Wer bei Pastorin Heike Schmid anruft, wird mit einem fröhlichen „Moin!“ begrüßt. In der ostfriesischen Kirchengemeinde Visquard/Krummhörn weht ein frischer Wind. Ja, es gibt viel Bewegung, die rund 600 Gemeindemitglieder sind hoch engagiert, sagt die Pastorin. Und, ja, die Dorfkirche in Visquard wird nicht nur von Touristen geschätzt: „Die Leute hier haben eine heiße Liebe zu ihrer Kirche!“.
Die vielfach Beliebte ist eine hoch betagte Dame; sie wurde zwischen 1250 und 1275 aus Backsteinen erbaut und ursprünglich der Heiligen Margaretha gewidmet. Der Bau des dazugehörigen, freistehenden Glockenturms folgte vermutlich um 1300. Die Reformation brachte theologische wie bauliche Veränderungen: Vom ehemaligen Lettner zwischen Chorraum und Kirchenschiff blieben nur die Balken erhalten, auf denen eine Empore mit Orgel eingezogen wurde. Aus der schwarzen Altarplatte fertigte man eine Grabplatte, die heute an der Ostwand aufgestellt ist. Die zwei Portale an der Nord- und Südseite des Gebäudes wurden vermauert und durch das heutige Westportal ersetzt. Über diesem westlichen Eingang fällt Besuchern eine Sandsteinuhr ins Auge, die 1598 von dem ostfriesischen Grafen Edzard II. und seiner Frau Katharina Wasa gestiftet wurde und mit deren schwedisch-ostfriesischem Wappen verziert ist: Ein altes Zeichen der Freundschaft zwischen den Nationen.
Ende des 18. Jahrhunderts drohten die vier Gewölbe in der Kirche durch das Absinken des Grundwasserspiegels einzustürzen; sie wurden durch eine Holztonnendecke ersetzt, nur das Chorjoch ist heute noch erhalten. Im Laufe der Zeit haben sich einige Schäden am historischen Kirchenbau bemerkbar gemacht. Die anstehende Sanierung soll insbesondere die Außenmauern der Dorfkirche betreffen, aber auch der Dachstuhl ist zu restaurieren. Rund 477.000 Euro sind dafür veranschlagt, die Stiftung KiBa stellt 15.000 Euro zur Verfügung.
Reformierte Kirche Visquard Krummhörn
Reformierte Kirche Visquard Krummhörn
Reformierte Kirche Visquard Krummhörn
Reformierte Kirche Visquard Krummhörn
Reformierte Kirche Visquard Krummhörn
Reformierte Kirche Visquard Krummhörn
Was macht die Kirche so wichtig? Heike Schmid muss nicht überlegen: „Alles!“ Charmant sei das historische Gebäude, „und der wunderschöne Chorraum zeigt, wie das Gotteshaus früher aussah“. Und noch wichtiger sind „die Menschen, die die Kirche füllen“. Im vergangenen Jahr hat man eine kleine Küche und eine Toilette einbauen lassen – seitdem ist die Kirche für die Visquarder der Versammlungsort schlechthin. „Die Menschen kommen hier gern zusammen, trinken Kaffee, tauschen sich aus. Sie haben einen unbeschwerten und fröhlichen Umgang mit ihrer Kirche“. Wer die Pastorin schwärmen hört, hat keinen Zweifel daran, dass dies auch für sie selbst gilt. Seit 20 Jahren steht die 61-jährige Theologin in Visquard auf der Kanzel, zuvor war sie erst in Rysum, einem Nachbarort von Visquard, tätig, später in Wuppertal. Als sie die Stelle in Visquard bekam, war sie glücklich: „Das war wie nach Hause kommen!“
Für die Instandsetzung der Dorfkirche hat die Gemeinde ihre Rücklagen angezapft, berichtet die Pastorin, und auch, dass das nächste Ortskirchgeld für diesen Zweck bestimmt sein soll. Spenden werden zum Beispiel bei den regelmäßigen Kaffeetrinken gesammelt, die in Zeiten von Corona unter der Überschrift „Breng dien eigen Muckje met“ („Bring deine eigene Tasse mit“) stehen. Noch verhindert die Pandemie größere Aktionen in der Kirche, aber „sobald das Gerüst steht, ist das halbe Dorf da“, ist Schmid sicher. Im Herbst, hofft sie, kann die Sanierung beginnen „das wäre unser Traum“.
Bis dahin freuen sich die Gemeindemitglieder über Gottesdienste auf dem Kirchenvorplatz und das abendliche Läuten der Kirchturmglocken. „Jeden Abend kurz vor 19 Uhr: Sieben Minuten Glockenläuten in Visquard“, steht auf der Facebook-Seite der Gemeinde. „Warum? Um zu zeigen: Wir denken aneinander. Überall. Wir sind verbunden“.