Die Sturmverteidigerin
Bundestrainerin Steffi Jones engagiert sich auch an Schulen ohne Rassismus und für den EKD-KonfiCup
Sie hat als Spielerin im Fußball nahezu alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Jetzt will sie als Bundestrainerin nach der Europameisterschaft greifen. Wirklich wichtig für sie sind ihre Frau, ihre Familie und der, der auf alle aufpasst. Eine Einheit mit Steffi Jones
Ein grauer, böiger Vormittag, ein Sportplatz. Kein Ort, wo selbst eingefleischte Sportenthusiasten jetzt verweilen wollten. Doch sogar im Nieselregen, wetterfest in Trainingsklamotten eingepackt, die Kapuze tief in der Stirn, leuchten die Augen noch: Steffi Jones ist in ihrem Element, schließlich gibt es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Hütchen stehen im trostlosen Grau herum, Stangen und Pappkameraden, die gar nicht von Pappe sind, jede Menge Bälle liegen verstreut. Dazwischen führt ein Trupp junger Frauen eine Art wilder Choreografie auf dem nassen Rasen auf. Sie tanzen buchstäblich nach der Pfeife ihrer Trainerin. Die spürbare Autorität der athletischen, 1,80 Meter großen Frau entspringt dem ruhigen Selbstvertrauen, eine eigene Idee davon zu haben, wo sie mit dem Frauenfußball hin will, und wie sie dahin kommt.
Was Thomas Edison einstmals anmerkte, gilt auch für Steffi Jones: Sind 99 Prozent des Erfolgs Mühe, Arbeit und Training, macht das eine Prozent Inspiration den Unterschied aus zwischen beachtlich und genial. Und wenn eine Sportlerin im Fußball mit dem Beinamen „Kaiserin“ geadelt wird, dann drückt sich darin die Anerkennung der Überragenden aus. Menschen mit Hang zu Vorurteil und Aversion fanden bei der 44-Jährigen reichlich Stoff: Dunkler Teint, schwarze Locken, seit 2014 mit Ehefrau Nicole verheiratet und dazu betreibt sie des Deutschen Lieblingssport – Achtung! – mit Frauen. Heute ist Steffi Jones dem Milieu bierdunstiger Herrenwitzstammtische weit enteilt, doch der Weg war kein Boulevard auf der Sonnenseite des Lebens.
Als Kind einer Deutschen und eines schwarzen US-Soldaten erblickte sie 1972 das Licht der Welt: Da war Damenfußball beim offiziellen Verband in Deutschland noch verboten. Als Vierjährige begann sie, Fußball auf der Straße zu spielen – als Torpfosten für ihre Brüder, wie sie heute gerne mit ihrem entwaffnenden Grinsen erzählt. Ihr Weg vom Frankfurter Problemviertel Bonames in die DFB-Zentrale war lang und kurvig, ist aber gespickt mit nationalen und internationalen Titeln, die die Sportlerin zu einer der erfolgreichsten des Landes machen. Doch das ist nur die eine Seite: „Bei uns lief es eigentlich nie so richtig nach Plan. Meine Familiengeschichte war verworren und voller Tragödien“, sagt die Fußballerin und verweist auf das Schicksal ihres im Irakkrieg schwerst verwundeten Bruders als Beispiel. „Ich bin aber überzeugt davon, dass ich meine Karriere gerade wegen der widrigen Umstände starten konnte.“
Was sie denn am besten könne, wurde Steffi Jones einmal in einem Interview gefragt – wohl in Erwartung einschlägiger Ausführungen zu Technik und Strategie. „Mich für andere Menschen einsetzen“, ist in der Welt des Selbstmarketings eine verblüffende Antwort. Doch genau so ist es: Steffi Jones ist gerne Schirmherrin, gerade wenn es um Kinder geht, etwa bei „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ oder dem EKD-KonfiCup. Dieses Dasein für andere, dieses Mutmachen und Motivieren ist Ausdruck einer Dankbarkeit, die sie bei dem verspürt, was sie geworden ist: „Ich weiß, dass es jemanden gibt, der auf mich und meine Familie aufpasst.“
Thomas Rheindorf