Der unbeirrbare Freiheitsstreiter
Freiheit ist kein Selbstläufer. Sie muss immer wieder erstritten und verteidigt werden
1989 war ein Jahr der Befreiung in Deutschland – auch für Heino Falcke. Doch der ehemalige Propst ist ein wachsamer Geist: Freiheit ist kein Selbstläufer. Sie muss immer wieder erstritten und verteidigt werden. Dem weiß er sich verpflichtet – stets aufs Neue. Eine Rückschau über den Dächern Erfurts.
Der Balkon ist klein, doch gerade richtig für Heino Falcke: „Von hier oben habe ich einen wunderbaren Blick auf zehn Erfurter Kirchtürme“, genießt er das Panorama seines seniorengerechten Domizils, das er seit diesem Jahr bewohnt. Im Mai feierte er 90. Geburtstag.
Erfurt ist Falckes Stadt, von 1973 bis 1994 fungierte er als Propst der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen mit Dienstsitz in der Stadt an der Gera. Der sprachgewandte Erzähler skizziert seine biografische Retrospektive als bildgewaltiges Kaleidoskop. Nach dem Theologiestudium in Berlin, Göttingen und bei Karl Barth in Basel ging er 1952 in die DDR: „Meine Vision als junger Pfarrer lautete: Wir bauen eine bekennende Volkskirche.“ Damit stand sein Platz in der Opposition quasi fest. Der hochbegabte, in Rostock promovierte und habilitierte Theologe fiel schnell auf, denn er war und ist engagierter Einmischer; Erhard Eppler nannte ihn einen „unbequemen Theologen“.
Im Jahr 1972 hielt er bei der Synode der evangelischen Kirchen in der DDR in Dresden den Vortrag „Christus befreit – darum Kirche für andere“, eine Abrechnung mit dem DDR-Sozialismus und ein Manifest seines christlichen Freiheitsbegriffs: „Wir sind also aufgefordert, das Evangelium als Befreiungsbotschaft zu begreifen und in das heutige Ringen der Welt um Freiheit hineinzutragen“, rief er den Delegierten zu. Ein Jahr später wählte man ihn zum Propst. „Mit Kirchenbau hatte ich dabei nur einmal direkt zu tun“, erinnert er sich, „als wir das Erfurter Augustinerkloster wiederaufgebaut haben. Das war allerdings eine Herkulesaufgabe! Sonst ist der Propst erst zur feierlichen Wiedereinweihung eingeladen worden. Das war immer schön, wir haben ja wunderbare Dorfkirchen in meinem Sprengel.“
Heino Falcke leitete den Ausschuss für Kirche und Gesellschaft des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und engagierte sich in der Friedensarbeit des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf. So kam er mit Mächtigen und Einflussreichen in Kontakt. Wichtiger waren ihm aber die Unbekannten, die sich ihm anvertrauten, die vom SED-Regime tyrannisierten Bauern seiner ersten Gemeinde im Harz, die politisch geächteten Kriegsdienstverweigerer, die zurückgelassenen Angehörigen der in die Bundesrepublik Ausgereisten, später dann die entlassenen Kali-Kumpel als Verlierer der Wiedervereinigung.
Das Jahr 1989 erlebte Heino Falcke als innere Befreiung der DDR, aber: „Die schnelle Zusammenführung in der EKD ohne Berücksichtigung unserer gerade gewonnenen demokratischen Aufbrüche, das war mir damals schon bitter!“ Auch im wiedervereinigten Deutschland beobachtet er Kirche, Gesellschaft und Politik mit Argusaugen.
Sein Ausblick in die Zukunft ist unverzagt: „Die Kirche wird niemals untergehen. Bis zur Wiederkunft Christ nicht! Ich sehe so viele wunderbare politische, gesellschaftliche und ökologische Aufbrüche in diesen Tagen, die neben unseren Institutionen wachsen. Wir müssen die Angst verlieren, mit denen etwas Gemeinsames zu gestalten, die mit der Kirche nichts zu tun haben, dann werden wir weiterhin etwas erreichen!“
Von Thomas Rheindorf
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