Ulrike Wendland
Ulrike Wendland

Die Denk-mal-Nachdenkerin

Auf einen Caffé Americano mit Ulrike Wendland in ihrem Kiez.

Sie lebte und arbeitete in Hamburg, Bamberg, Zürich, Saarbrücken und Halle. Jetzt ist Ulrike Wendland in Berlin. Denkmalpflege ist ihre Leidenschaft. In der Hauptstadt ist sie quasi die Cheflobbyistin der sichtbaren deutschen Vergangenheit. Klingt altbacken? Nicht mit ihr.

Wie stellt man sich eine obere bis oberste staatliche Denkmalpflegerin vor? Wahrscheinlich gar nicht, denn Denkmalschutz ist nicht der Begriff, der Begeisterung auslöst, eher im Gegenteil – überbordend beleumundet ist er eher nicht. „Ja, ich weiß“, seufzt Ulrike Wendland, „Denkmalpflege gilt als bürokratisch, unflexibel und lästig. Und leider – leider manchmal noch zu Recht.“ Sie darf sich ein Urteil erlauben, denn sie war Landeskonservatorin im Saarland und in Sachsen-Anhalt, ist Geschäftsführerin des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz und arbeitet bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Wer die 61-Jährige erlebt, kann Klischees und Vorurteile getrost vergessen: Das Original fegt Ressentiments einfach beiseite.

„Denkmalschutz will den Menschen ihre Herkunft bewahren, einer Gesellschaft den Kontakt zu ihrer Vergangenheit offenhalten“, erklärt Ulrike Wendland. Wie lässt sich dann das schlechte Image überwinden? „Wir müssen besser darin werden, Denkmäler zu erklären, aufzuzeigen, worin der einzigartige Wert gerade dieses Objekts besteht“, ist die Kunsthistorikerin überzeugt, „Investoren und Bauherren über finanzielle Anreize informieren und nicht zuletzt die Begeisterung für den ideellen Wert eines geretteten Denkmals entfachen.“

Ist es angesichts des Klimawandels überhaupt opportun, energetisch meist fragwürdige Objekte in attraktiven Lagen zu belassen, mag sich der kritische Zeitgeist fragen. Als Hanseatin ist Ulrike Wendland eher bedächtig, kann aber aufs Stichwort hin auch temperamentvoll: „Eigentlich dürften wir gar nichts mehr abreißen! In jedem Gebäude steckt so viel graue Energie, die durch Abriss und Neubau zum Nachteil der Umwelt freigesetzt wird.“ Daher erkennt sie gerade in ihrem Metier eine Speerspitze der Nachhaltigkeit: „Heute fragen wir nach der zweiten Reparatur, die nach der kommt, die gerade gemacht werden muss. Wie bekomme ich das nach Jahrzehnten wieder auseinander, ohne etwas kaputt zu machen? Da können denkmalpflegerische Grundsätze allgemeine Leitbilder werden.“

Ulrike Wendlands Herz schlägt bei alldem für Menschen und ihr Geschick. L’art pour l’art ist ihre Sache nicht. Als Firmen, Institutionen oder andere Berufsgruppen das noch brüsk ablehnten, erforschte sie die Geschichte ihres Fachgebiets in der NS-Zeit anhand der Biografien emigrierter deutscher Kunsthistoriker: Es wurde der Gegenstand ihrer Promotionsschrift – und ein Lebensthema: „Das beschäftigt mich bis heute.“

Passenderweise wohnt sie in einer WG im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, der Gärkammer für Trends und Avantgarde. So wird in der Person von Ulrike Wendland auch Denkmalpflege zu einer progressiven, zukunftsgestaltenden Angelegenheit. Den Kirchen will sie auf der beruflichen Zielgeraden einen besonderen Schwerpunkt widmen. „Als Kind habe ich fest geglaubt, dass Gott dort wohnt. Menschen brauchen solche Orte. Unbedingt.“

Thomas Rheindorf

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