Die „Eisenbahnkirche“
Instandsetzung in Kirchmöser soll noch 2020 beginnen
1368 wird das etwa zwölf Kilometer südwestlich der Stadt Brandenburg gelegene Dorf Möser erwähnt erstmals urkundlich erwähnt. Damals gehörte es Erzbischof Albrecht IV. von Magdeburg. Der Ort auf einer Halbinsel inmitten mehrerer Seen wechselte mehrfach den Besitzer – darunter das Domstift Brandenburg oder bis zur Reformation das Zisterzienserkloster Lehnin. 1816 wurde das Gut Möser aufgelöst und an eine Interessengemeinschaft von 18 Ackerbauern verkauft.
Als 1846 die Eisenbahnstrecke Berlin-Potsdam-Magdeburg in Betrieb genommen wurde, durchschnitt die Eisenbahn auch die Gemarkung des Dorfes Möser. Aber erst 1904 wurde ein neuer Bahnhof nahe der Ortschaft errichtet. Zusammen mit der Dampferanlegestelle am Möserschen See führte das dazu, dass das Dorf zum Naherholungsgebiet der Stadt Brandenburg wurde. Trotzdem zählte Möser zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerade 286 Einwohner.
Einen gewaltigen Aufschwung nahm der Ort, der 1916 den heutigen Namen Kirchmöser erhielt, während des Ersten Weltkrieges. Die Reichsregierung ließ ab Januar 1915 nordwestlich des Dorfes eine Pulverfabrik und ein Feuerwerkslaboratorium errichten. Für die Offiziere und Beamten entstanden Villen und Mehrfamilienhäuser im heutigen Ortsteil Kirchmöser-West. Nach Kriegsende mussten die militärischen Industrieanlagen gemäß des Versailler Vertrags demontiert werden. 1920 übernahm die Deutsche Reichsbahn das Gelände und etablierte hier eines der modernsten Eisenbahnwerke Europas. Zahlreiche Arbeiter zogen nach Kirchmöser und die Bahn baute zwei moderne Werkssiedlungen nach Plänen des Regierungsbaurates Teschemacher im Sinne der Gartenstadtbewegung. Dazu gehörte natürlich auch die soziale Infrastruktur – und so baute die Bahn in Kirchmöser-West auch eine Kirche mit Pfarrhaus sowie eine Schule.
Westkirche Kirchmöser
Westkirche Kirchmöser
Westkirche Kirchmöser
Westkirche Kirchmöser
Westkirche Kirchmöser
Westkirche Kirchmöser
Der expressionistisch anmutende Kirchenbau wurde 1928/29 nach Plänen des Reichsbahnoberrates Hugo Roettcher ausgeführt: ein verputzter Saalbau mit Satteldach, quadratischem Turm und nach Süden abschließendem Quertrakt mit Gemeindesaal, Konfirmandenraum und Wohnung des Kirchendieners. Für die damalige Zeit war das sowohl gestalterisch-architektonisch als auch vom Sozialkonzept her richtungsweisend.
Bis 2003 befand sich die Kirche im Eigentum der Deutschen Bahn, erst dann erwarb die Kirchengemeinde das Gebäude und das umliegende Grundstück. Aufgrund der komplizierten Eigentumsverhältnisse war die planmäßige Instandhaltung lange vernachlässigt worden, lediglich die vom Einsturz bedrohte Dachkonstruktion über dem Gemeindesaal war 2001 – auch mit ehrenamtlichern Helfern aus der Gemeinde – instandgesetzt werden.
Mittlerweile lassen sich die Renovierungsarbeiten kaum noch aufschieben. Die bauliche Hülle und der Turm sollen noch in diesem Jahr saniert werden. Ein Förderverein hat sich gegründet, um die Finanzierung aktiv zu stützen. Grundstock ist eine großzügige Förderung aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dazu ist eine ganze Reihe an weiteren Förderern zusammen gekommen: das Brandenburgische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, die Landeskirche Berlin-Brandenburg / schlesische Oberlausitz, die Stadt Brandenburg, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Stiftung KiBa und der Förderkreis Alte Kirchen. Einen beträchtlichen Eigenanteil muss die Kirchengemeinde allerdings selbst aufbringen.
Die Gemeinde und der Förderverein wollen die Kirche nach ihrer Instandsetzung „weit öffnen für Einwohner jeglichen Bekenntnisses und Alters, Touristen und Kulturinteressierte. Die Kirche mit Gemeindesaal soll zum religiösen, kulturellen und touristischen Zentrum der Westsiedlung werden.“
Das ursprüngliche soziale Konzept aus der Bauzeit bietet dafür großartige Voraussetzungen.