Erhalt eines Jüterboger Wahrzeichens
Dach- und Fassadensanierung der Stadtkirche St. Nikolai
Sie ist ein beeindruckendes Beispiel gotischer Architektur: die Pfarrkirche St. Nikolai im brandenburgischen Jüterbog im Kreis Teltow-Fläming. Geweiht wurde sie um 1488. Das charakteristische Westwerk mit Doppeltürmen und Bogenbrücke überragt die Altstadt und prägt das Stadtbild von Jüterbog. Jetzt wurden im 5. Bauabschnitt Dach und Fassade saniert.
Architektur und Historie
Das heutige Erscheinungsbild der Kirche geht auf das 15. Jhd. zurück, wobei Elemente des Vorgängerbaus aus dem 13. Jhd. übernommen wurden. Neben den gotischen Strukturen mit Spitzbogenfenstern und Maßwerkverzierungen errichtete man im Laufe der Zeit zusätzliche Anbauten an Nord- und Südfassade. 1617 wurde die Schweifhaube des Nordturms im Renaissance-Stil vollendet, offenbar war die ursprüngliche Spitze mangelhaft konstruiert. Seitdem sind die Doppeltürme asymmetrisch, was St. Nikolai sein unverwechselbares Äußeres verleiht. Das hohe Kirchenschiff besteht aus Ziegelmauerwerk und ist durch schrägstehende Strebepfeiler gegliedert.
Zahlreiche Renovierungsarbeiten ziehen sich durch die Geschichte der Stadtkirche, so etwa in den Jahren 1821 bis 1824, 1877, 1934 bis 1936 sowie in den 1980er und 1990er Jahren. Eine größere Dachsanierung wurde zuletzt 1974 durchgeführt, der Innenraum wurde zwischen 1986 und 1994 umfassend restauriert.
In den letzten Jahren wiesen Dach und Fassaden allerdings erhebliche Schäden auf, konstruktive Mängel und biotische Einflüsse waren die Ursache. Frühere Reparaturen hatten nicht den gewünschten langfristigen Effekt erzielt. Mit einem Konzept von 2015 begann die auf fünf Bauabschnitte projektierte umfassende Sanierung. Die Stiftung KiBa hat dazu in den Jahren 2019, 2021 und 2022 insgesamt 40.000 Euro beigesteuert.
Eingerüstete Nordfassade im Januar 2023. (c) Planungsbüro Axel Seemann
Juni 2023: wegen Schädlingsbefall werden die Fußpunkte im Dachtragwerk des Apsis saniert (c) Planungsbüro Axel Seemann
Südfassade im Juli 2023: die Apsis wird eingerüstet (c) Planungsbüro Axel Seemann
September 2023: Einlattung der Dachhaut über der Apsis (c) Planungsbüro Axel Seemann
November 2023: das Dach über der Apsis ist eingedeckt - es fehlen nur noch die Gratziegel (c) Planungsbüro Axel Seemann
Januar 2024: Einbau der ehemals vorhandenen Streben inklusive Einbau zusätzlicher Streben im Bereich der Hängesäule. (c) Planungsbüro Axel Seemann
Februar 2024: das Mauerwerk der Nordfassade wird von mikrobiogenem Bewuchs gesäubert (c) Planungsbüro Axel Seemann
Die aktuelle Sanierung
Im nun fertig gestellten letzten Bauabschnitt standen Dachkonstruktion und Neueindeckung im Fokus. Die alten - teilweise kontaminierten - Dachziegel wurden entfernt und durch neue traditionell gemusterte Ziegel ersetzt. Zimmerarbeiten umfassten Reparatur und Verstärkung des Dachstuhls. Defekte Balken, Streben und Hängesäulen wurden instandgesetzt, historische Holzverbindungen überprüft und bei Bedarf restauriert. Für zukünftige Wartungsarbeiten wurden im Dachraum neue Laufstege eingebaut.
Parallel erfolgten umfangreiche Maurerarbeiten an der Fassade im Bereich der Apsis. Stark beschädigte Ziegel wurden ersetzt, die Fugen saniert und das Mauerwerk gereinigt. Besonders wichtig: die Entfernung von biotischem Bewuchs und die Schwammsanierung im Kronenmauerwerk. Um den langfristigen Erhalt der Kirche zu sichern, wurden die gesamten Arbeiten von Restauratoren begleitet, die sich um die Dokumentation und die Restaurierung historischer Bausubstanz kümmerten. Alle Arbeiten wurden in enger Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden durchgeführt - für den Erhalt der Stadtkirche St. Nikolai und deren zukünftige Nutzung ist die Sanierung ein wichtiger Meilenstein.
Ein Stück Reformationsgeschichte
Ein besonderer Gegenstand befindet sich in einer kleinen Kapelle von St. Nikolai: der so genannte „Tetzelkasten“, ein Ablasskasten des gleichnamigen Dominikanermönchs Johann Tetzel. Der habe, so sagt es Martin Luther in seinen „Tischreden“, die Grenze zum nahe gelegenen Wittenberg nicht überqueren dürfen, weswegen er seine Ablassbriefe in Jüterbog feil bot. Tetzels zunehmender Erfolg beim Verkauf der Ablässe („Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“) veranlasste Luther schließlich zur Veröffentlichung seiner weltbekannten 95 Thesen, mit denen die Reformation ihren Anfang nahm. Den Jüterboger Tetzelkasten soll später der Ritter Hans von Hake geraubt haben, schreibt Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“.