Dr. Martin K. Weisbrod bei seinem 90. Geburtstag
Dr. Martin K. Weisbrod bei seinem 90. Geburtstag Anne Ackermann

Von einem, der auszog, und dabei Kirchen half

Ein Nachruf auf Dr. Martin K. Weisbrod

Das pfälzische Haßloch ist ihm ein sicherer Hafen geworden im wogenden Lebensrhythmus. Sein Domizil über den Dächern des "größten deutschen Dorfes" war ihm eine Quelle der Behaglichkeit. Ein Ort zum Wohlfühlen, zum Bleiben. Jetzt steht er leer, denn am 25. November ist Dr. Martin Weisbrod im Alter von 90 Jahren gestorben.

Modernität und Tradition zugleich in lichtdurchtränkten Räumen. Hier liess es sich aushalten. Dabei war Haßloch lange Jahre hinweg nur so etwas wie eine Raststation für Martin Weisbrod, denn den unternehmungsfrohen Senior zog es oftmals in die Ferne. Richtung Osten ging es meistens, vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer. Gemeinsam mit seiner bereits 2022 verstorbenen Frau Christine Weisbrod-Russ ging sein Interesse weit über die klassischen Reiseführer-Highlights hinaus. Das Paar suchte die Begegnung mit dem Leben christlicher Gemeinden in ihrer Vielfalt. Konfessionelle Manschetten waren der Katholikin und dem Protestanten fremd - sie trafen volkskirchliche Christen wie Vertreter religiöser Minderheiten und zogen aus diesen Kontakten Anregungen für ihren eigenen ökumenischen Dialog.

Was für eine Entwicklungen für jemanden, der eigentlich tief in der Pfalz verwurzelt aufgewachsen ist! Um die Jahrhundertwende errichtete der Großvater eine stattliche Gründerzeitvilla, in der er fortan als Arzt praktizierte. Dann der Vater, der die Praxis übernahm und später Martin Weisbrod selbst als Internist - heute arbeiten die Söhne dort. Was zieht einen heimatverbundenen Menschen in die Welt hinaus? Es ist die Begegnung mit einer verwandten Seele: Christine Russ verbrachte ihr Kindheit schlesisch geprägt in Ostpreußen und zog später nach Baden-Württemberg. In Haßloch übernahm sie die Pflegedienstleitung eines Altenheims und traf dort auf einen Arzt, mit dem sie sich nicht nur über ihre Heimbewohner austauschen konnte.

Martin Weisbrod hatte sich nicht nur beruflich einen vorzüglichen Ruf erarbeitet, bekannt war er auch durch die Kunstausstellungen und Vernissagen in den Praxisräumen. Nach dem Ruhestand widmete er sich das Paar den gemeinsamen Leidenschaften Kunst und Reisen. Sieben Jahre lebten sie in Irland auf einem Anwesen und legten Obstplantagen an. Rechtzeitig vor dem Platzen der irischen Immobilienblase 2008 verkauften sie alles und kehrten in die Pfalz zurück. Mit zahllosen Erinnerungen, Erfahrungen und einem offenen Gedankenhorizont.

Wer den Blick über die eigenen Grenzen hebt, der ist auch offen für neue Ideen. 2006 fiel dem Paar eine Ausgabe des evangelischen Magazins "chrismon" in die Hände. Darin lasen sie den Bericht über eine Aktion der Stiftung KiBa. "AUS 2 MACH 3" hieß es da: für je zwei gespendete Euro für besondere Kirchen im Land würde die Stiftung einen dritten Euro drauflegen. Die Weisbrods waren begeistert. 20 Kirchen waren im "chrismon"-Artikel vorgestellt - aber wie soll man sich da entscheiden? Für die Wahl "ihrer Kirche" ersannen die beiden ihre eigenen Sympathiekriterien: Abseits größerer Städte und ausgetretener Touristenpfade sollte die Kirche liegen, förderwürdig und unterstützungsbedürftig zugleich sein. Es wurde dann St. Nikolai zu Bauer in Wehrland im fernen Vorpommern-Greifswald. Man spendete großzügig und die Kirche erreichte den zweiten Platz des Spendenmonitors.

Damit hätte sich das Paar eigentlich zurücklehen und neuen Projekten zuwenden könen - aber Christine Russ und Martin Weisbrod reichte das nicht. Sie wollten noch mehr tun und nahmen Kontakt mit der Stiftung KiBa auf - und am 31. März 2007 wurde mit einer gottesdienstlichen Feier die "Dr. Weisbrod-Russ-Stiftung in der Stiftung KiBa" gegründet. . Der Pastor der Kirche wählte damals als Predigttext: "Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus." (1. Kor, 3.11) Und damit den Taufspruch von Martin Weisbrod. Ein Zufall womöglich - aber eigentlich ein Zeichen dafür, dass in der Errichtung der Stiftung Segen steckte. So hat es Martin Weisbrod verstanden und so hat er gehandelt.

Freunde des umtriebigen Paares waren zunächst neugierig bis amüsiert. Schon bald aber hatte die Namensstiftung regelrechte Fans im Bekanntenkreis, die immer ganz genau wissen wollen, was wo gerade passierte. Und die gerne auch mal etwas dazulegteen. So wuchs die Stiftung - nicht nur zur Freude ihrer Namensgeber, sondern vor allem auch ihrer Nutznießer. Seit 2007 flossen weit über eine halbe Million Euro an Fördermittel aus der neuen Stiftung in die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. 2009 und 2011 wurde dabei nochmals in die Gründungskirche St. Nicolai zu Bauer in Wehrland investiert.

Im Mai 2024 hat Martin Weisbrod noch einmal auf die reichen Früchte der Stiftung zurückgeblickt: anlässlich seines 90. Geburtstags waren Weggefährten und Freunde in Haßloch zusammengekommen, haben gemeinsame Gottesdienst gefeiert, Anekdoten und Erinnerungen ausgetauscht. Obwohl der gefeirte Senior bereits gesundheitlich angeschlagen war, glich die Feier immer wieder einem Planungstreffen der Stiftung. Neue Projekte werden erörtert, Ideen ausgebrütet, Pläne für die Zukunft geschmiedet.

Das Engagement, das Martin Weisbrod für seine Stiftung an den Tag gelegt hat, war wie eine hochwirksame Arznei gegen Einsamkeit, geistigen Stillstand und Entfremdung vom Leben. Die Saat, die seine Arbeit in den Kirchen gelegt hat, wird viel Generationen gedeihen.