„Neue Kirche in altem Gemäuer“
St. Nikolai zu Niedergebra wurde 2017 wieder eingeweiht
Es waren die Grafen vom Hagen, die entscheidende Kapitel der Geschichte Niedergebras mitgeschrieben haben. Freiherr Friedrich Philipp vom Hagen (1683–1754) ließ das Wasserschloss „Blauer Hof“ errichten, ebenso den barocken Neubau von St. Nikolai. Heute gehört die Kirchengemeinde zum Kirchenkreis Südharz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.
„Malerisch“ ist oftmals ein Ausdruck, den man gerne für kleine Dörfer verwendet. Für Niedergebra im Westen des Landkreises Nordhausen zwischen Harz und Hainleite passt er auch ganz wunderbar. Etwa 660 Einwohner zählt der Ort heute, über die Autobahn 38 ist er über die Abfahrt Bleicherode gut zu erreichen – und damit auch die Dorfkirche St. Nikolai mit ihrem trutzigen Aussehen. Im Herzen von Niedergebra gelegen ist sie nicht nur geographisch der Mittelpunkt. Der quadratische Kirchturm im Westen mit geschweifter Haube und Laterne ist eine unübersehbare Landmarke. Das Kirchenschiff wurde in Nord-Süd-Ausrichtung gebaut.
Im Grund war St. Nikolai immer etwas zu groß für den Ort. Aber die Patronatsherren vom Hagen wollten sich mit diesem repräsentativen Barockbau wohl auch ein Denkmal setzen – gewissermaßen als spirituelles Gegenstück zum „Blauen Hof“. 400 Sitzplätze standen im großzügigen Zentralbau zur Verfügung. In der Mitte befand sich der Taufstein, an seiner Ostseite der Kanzelaltar gegenüber dem reich verzierten Grafenstand mit der Orgel darüber. Nach allen vier Himmelsrichtungen waren Eingänge angeordnet und zur natürlichen Belichtung rundbogige Holzsprossenfenster eingebaut.
Die Ausstattung umfasst ein beeindruckendes Holzschnitzwerk. Es zeigt die Anbetung des Christuskindes durch die Heiligen Drei Könige, ursprünglich war es Teil eines Altars von 1510. Ebenfalls bemerkenswert ist eine Kreuzigungsszene, die von Maria und Johannes als freistehende Figuren begleitet wird. Auch diese Gruppe gehörte ursprünglich zu einem Altar. Um 1542 wurde ein Porträtgemälde von Martin Luther geschaffen, eine Ostergruppe mit dem auferstandenen Christus mit zwei flankierenden Engeln ist auf 1740 datiert.
1929 war St. Nikolai stark renovierungsbedürftig und wurde von Grund auf instand gesetzt. Dreißig Jahre später trat allerdings ein neues – und ziemlich ernstes – Problem auf: der gemeine Hausschwamm hatte die gesamte Kirche einschließlich Dachstuhl befallen. Zu retten gab es nicht mehr allzu viel, das gesamte Dach musste abgebrochen werden. Immerhin konnte die wertvolle Barockausstattung rechtzeitig ausgelagert und damit gerettet werden.
Anbetung des Christuskindes durch die Heiligen Drei Könige (1510)
Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes als freistehende Figuren (1520)
Porträtgemälde von Martin Luther (um 1542)
Kirchenraum nach Südosten
Das Kircheninnere nach Nordwesten
Beine wäre das gesamte Kirchenschiff verloren gegangen, über viele Jahre hinweg standen lediglich die Umfassungsmauern der Kirche. 1960 musste das Gotteshaus baupolizeilich ganz geschlossen werden. Die staatlich gelenkte Volkswirtschaft zu DDR-Zeiten machte es äußerst schwierig, nötiges Material und Kapazität für einen neuen Dachstuhl zu bekommen. Erst in den 1970er Jahren konnte der Innenausbau fortgesetzt werden. Da es in Niedergebra kein Gemeindehaus gab, musste eine andere Lösung her, um das kirchliche Leben außerhalb der Gottesdienste aufrechtzuerhalten. Dazu wurden einzelne Räume in der Kirche abgeteilt. Aus heutiger Sicht eine goldene Entscheidung, die wesentlich zum Überleben der Kirchengemeinde beigetragen hat.
Ab 2016 wurde die Kirche – auch mit Hilfe der Stiftung KiBa – erneut umfassend renoviert. Dabei wurden die Trennwände und Einbauten entfernt, die abgehängte Decke zurückgebaut und der Fußboden abgesenkt. Dank dieser Maßnahmen präsentiert sich der Innenraum heute als eine große und helle Halle, die barrierefreien Zugang bietet und neben Gottesdiensten und Andachten auch für verschiedene kulturelle Veranstaltungen der Gemeinde genutzt wird. 2017 wurde St. Nikolai feierlich neu eingeweiht – fast wie eine ganz neue Kirche in alten Mauern.
Eingerüstetes Kirchenschiff zu Beginn der Instandsetzungsarbeiten
Freigelegte östliche Traufe mit eingemauerten Sparrenfüßen
Östliche Dachtraufe mit rückverankerten Laschen zur statischen Verbesserung
Östliche Dachfläche mit Verlattung
Nordöstlicher Ortgang, mit Kupferblech verkleidetes Stirnblech
Kirchenschiffteile nach Abschluss der Sanierungarbeiten
Die Sanierungsarbeiten wurden 2022 fortgesetzt – wieder mit finanzieller Beteiligung der KiBa –, wobei der Schwerpunkt diesmal auf der baulichen Hülle lag. In einem ersten Bauabschnitt ging man das Dach des Kirchenschiffs an. Dazu gehörten neben der holzseitigen Instandsetzung der Dachkonstruktion auch die Neueindeckung mit naturroten Tonziegeln und die Reparatur der Blitzschutzanlage. Vor Beginn der Arbeiten wurde eine detaillierte Bestandsaufnahme des Kirchenschiffs durchgeführt und der Zustand des Dachtragwerks genau dokumentiert. Nach der Gerüststellung und Freilegung der zuvor nicht einsehbaren Bereiche stellte man fest, dass die Schäden an den Holzstrukturen glücklicherweise geringer waren als befürchtet. Die wenigen beschädigten Bereiche wurden nach dem heutigen Stand der Technik instand gesetzt. Die bauliche Sicherheit der Kirche ist damit langfristig gewährleistet.
Unterm Strich stellte die Instandsetzung des Kirchenschiffdaches eine ordentliche Herausforderung dar, am Ende konnten die Arbeiten jedoch dank milder Witterung vorzeitig abgeschlossen werden. Im Sommer 2022 trafen endlich die neuen Dachziegel ein und das Dach wurde komplett neu gedeckt. Die Firstziegel wurden denkmalgerecht vermörtelt und alle Dachklempnerarbeiten in Kupfer ausgeführt.
In einem zweiten Bauabschnitt wurde im Anschluss die Fassadensanierung am Kirchenschiff begonnen und erfolgreich abgeschlossen. Sämtliche Maßnahmen und denkmalfachliche Entscheidungen wurden mit dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Nordhausen und der zuständigen Baupflege des Kirchenkreises und der Landeskirche abgestimmt.
Die Kirchengemeinde St. Nikolai ist die größte Gemeinde im Pfarramtsbereich - auch wenn die Zahlen durch die demographische Entwicklung bedingt immer noch rückläufig sind. Wichtig ist das reiche musikalische Leben in der Gemeinde - auch ohne angestellten Kirchenmusiker. Hier engagieren sich Menschen aller Altersstufen.