Gottesdienstort und Fledermausherberge
Die Sanierung der „KiBa-Kirche des Monats Juli“ im sächsischen Leuben bringt Denkmal- und Naturschutz zusammen
Ob wieder die Kleine Hufeisennase ihre Schwingen im Spiel hatte? Spuren deuten darauf hin, dass die berühmte, vom Aussterben bedrohte Fledermausart, die beinahe den Bau der Waldschlösschenbrücke im Dresdner Elbtal vereitelt hätte, auch den Sanierern der St. Marienkirche im sächsischen Leuben in die Quere kam. Doch egal, ob es die Kleine Hufeisennase war oder eine weniger bekannte Art Fledermaus: Gerade als die im Herbst vergangenen Jahres begonnenen Maßnahmen an der „KiBa-Kirche des Monats Juli“ in vollem Gang waren, pochte die Untere Denkmalschutzbehörde auf die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, der die Kirche als Fledermausquartier unterliegt. Vier Monate lang, von April bis September, sollten die Bauarbeiten ruhen, um den Fledermäusen einen ungestörten Sommeraufenthalt im Dachstuhl zu ermöglichen. Ein Schreckensszenario für die Verantwortlichen in der Gemeinde, denn eine so deutliche Verzögerung der Bauzeit hätte enorme finanzielle Probleme mit sich gebracht.
Marienkirche Leuben
Marienkirche Leuben
Marienkirche Leuben
Marienkirche Leuben
Marienkirche Leuben
Zum Glück habe man „nach vielen Gesprächen“ einen Kompromiss zwischen Denkmal- und Naturschutz gefunden, berichtet der für St. Marien zuständige Pfarrer Burkhard Nitzsche: „Wir haben den schon fertigen Teil des Daches mit Planen als Fledermausherberge abgedunkelt, im anderen Teil durfte weiter gearbeitet werden“. Eine weitere Auflage: Die Gemeinde musste einen Fledermausexperten zur Begutachtung des Verlaufs der Maßnahmen einstellen.
St. Marien ist die älteste Kirche der Gemeinde Leuben-Ziegenhain-Planitz. Das im gotischen Stil erbaute und auf einem Berg liegende Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert, deutlich älteren Ursprungs ist der offenbar nach romanischem Muster erstellte Westturm. Auffällig ist das asymmetrische Netzgewölbe in Kirchenschiff und Chorraum, das auf den Baumeister Arnold von Westfalen (um 1480) hindeutet. Nach einem Blitzschlag im Jahr 1738 erhielt der Turm mit einem achteckigen Obergeschoss samt doppelter Haube seine heutige, im Meißener Landkreis einzigartige Form. Mehrfach wurde St. Marien im Laufe der Jahrhunderte umgestaltet, einschneidend waren diese Veränderungen besonders in den Jahren 1889/90, in denen die Sakristei von der Nord- an die Südseite verlegt, und der aus katholischer Zeit stammende Marienaltar entfernt wurde.
Die derzeitigen Arbeiten an der Kirche betreffen vor allem das Dach und die Fassade. Die Instandsetzung von Dachstuhl und Dachdeckung ist bereits abgeschlossen, verschlissene Sandsteine an den Tür- und Fenstergewänden wurden ausgetauscht, der Blitzschutz erneuert. „Nun sind nur noch ein paar kleinere Steinmetzarbeiten erforderlich“, sagt Nitzsche. Rund 280.000 Euro werden die Maßnahmen insgesamt kosten. Die Stiftung KiBa steuert 15.000 Euro bei, auch die Spendenbereitschaft vor Ort ist hoch. „Die Menschen finden in ihrer Kirche eine Heimat“, erklärt Nitzsche das große Engagement für St. Marien, „es ist ein Ort der Orientierung, des Gebets, der Begegnung, der Freude und der Kultur“.
Mitte Juli sollen die Arbeiten beendet sein, der Termin für den großen Festgottesdienst in der rundum sanierten Kirche steht schon fest: Es ist der 28. August. Spätestens dann, so hofft man, wird auch der Fledermausexperte seine Beobachtungen abschließen und die große Frage beantworten können, ob St. Marien die Heimat der Kleinen Hufeisennase ist oder nicht.