Der Schatz im Aktenordner
Ansichten und Einblicke in Bonn
Günther Korn ist Bundesgeschäftsführer des Bundes Deutscher Philatelisten, der Dachorganisation für rund 38.000 Sammler. Herzstück seiner Kollektion ist eine Sammlung zur Geschichte des Protestantismus.
Die Sache scheint klar: Es geht darum, Briefmarken an die Stelle in einem Album zu bugsieren, wo ein Bildchen der Marken eingedruckt ist. Solange, bis das Album voll ist. Wie in einem Fußballer-Panini-Heft, nur eben mit Postwertzeichen. Günther Korn lacht herzhaft: „Ja, das ist Briefmarkensammeln“, bestätigt er und fährt ernsthafter fort, „und das ist völlig in Ordnung, wenn es jemandem Freude macht. Das ist ja das Entscheidende bei jedem Hobby, die Freude. Nur – ich sehe mich als Philatelist.“ Der Fachbegriff „Philatelie“ setzt sich aus den griechischen Begriffen für „Freund“ und „abgabefrei“ zusammen, denn ursprünglich kam der Adressat für die Beförderung eines Briefes auf. „Freimarken“ signalisierten dann die Umkehrung der Verhältnisse.
Der erste Blick in einen der sorgfältig aufgereihten und beschrifteten Aktendeckel im Reich des Günther Korn genügt und sogleich wird der fundamentale Unterschied zum oben karikierten Liebhaber bunter Marken deutlich. Dem Flaggschiff seiner Sammlungen mit Namen „Vom Werden und Wirken des Protestantismus“ liegt ein eigenes hermeneutisches Konzept zugrunde: Sie stellt nichts weniger als eine illustrierte evangelische Kirchengeschichte vom Vorabend der Reformation bis heute dar. Anhand von (Sonder-)Marken, Stempeln, Postkarten und Briefen, teilweise handschriftlich aus dem Barock, dokumentiert er, versehen mit profunden Kommentaren, Seite um Seite alle nur denkbaren Aspekte des Protestantismus, vom Thesenanschlag bis zum Stiftungswesen – die Marken der Stiftung KiBa natürlich eingeschlossen. Je origineller und exotischer die Belege, umso besser, entscheidend aber ist immer, dass sich dem Betrachter das Thema erschließt. So wächst und verändert sich das vielbändige Werk seit 35 Jahren.
Zunächst aber ging es ganz klassisch los: Ein Nachbarsjunge zeigte seinem Freund Günther sein Briefmarkenalbum. Das war der Beginn einer lebenslang anhaltenden Leidenschaft. Er lernte Drucker, arbeitete lange in der Verwaltung einer diakonischen Einrichtung. Daneben gründete der Franke philatelistische Ortsvereine, engagierte sich im bayrischen Verband und gewann mit seiner Sammlung, die beispielsweise schon nach Neu Delhi und Istanbul gereist ist, nationale und internationale Medaillen und Preise. Schließlich machte er mit dem Wechsel in die Geschäftsstelle des Bundes Deutscher Philatelisten (BDPh) in Bonn sein Hobby zum Beruf. Grafisches Verständnis, Organisationstalent und Ordnungsliebe verschmelzen bei Günther Korn mit Spürsinn und Jagdtrieb und erheben seinen Umgang mit den postalischen Zeugnissen zur Meisterschaft. Kontemplation und Kommunikation tragen gleichermaßen zum philatelistischen Erfolg bei. „Wenn ich an meiner Sammlung arbeite, dann vergesse ich die Welt um mich“, sagt der verheiratete 63-Jährige. „Doch genauso schön und wichtig ist es, sich mit anderen Sammlern auszutauschen. Bei uns gibt es wenig Neid. Wir freuen uns lieber mit.“
Vom 8.-10. September 2017 findet der 115. Deutsche Philatelistentag in Wittenberg statt. In einem Salon mit dem Titel „Luther – Reformation – Ökumene“ werden – wenig erstaunlich – auch wesentliche Teile der Sammlung von Günther Korn zu sehen sein.
Thomas Rheindorf