Der Singmacher
Ein Treffen mit Fritz Baltruweit
Eine Menge von Zigtausenden Menschen kann nicht völlig still sein, aber wenn sie es versucht, dann ist es ein eindrucksvolles Erlebnis. Fritz Baltruweit versteht es, diesen geheiligten Augenblick am Ende eines Tages anzustoßen: aus Anlass der Expo in Hannover, in den Tagen des Reformationsjubiläums in Wittenberg oder bei vielen Kirchentagen. Er summt einen Ton und fast magisch breitet sich Ruhe aus, weil die Besinnung – manche sagen Spiritualität – aus seinem Innersten kommt und dabei trotz jahrzehntelanger Bühnenerfahrung nicht aufgesetzt oder inszeniert ist. Dann wird durch den Abendsegen aus einer Menschenmasse das Gottesvolk.
Der hannöversche Landespfarrer ist mit seinen Konzerten und Liturgien eine Institution bei kirchlichen Großereignissen. Fritz Baltruweits Leidenschaft gilt vor allem der Begegnung mit einzelnen Menschen und ihrem Geschick. „Wenn wir Andachten auf einem Camping platz an der Nordsee machen und dann sagt mir nach einer Woche jemand: ‚Also eigentlich habe ich mit der Kirche gar nichts zu tun, aber was ihr hier macht, das ist toll‘, dann kommen wir oft ins Gespräch und ich darf ungemein interessante Lebensgeschichten erfahren.“ Es ist das Persönliche, das Kleine und Alltägliche, das ihn zu seinen Liedern inspiriert. „Seit ein paar Jahren haben wir ein kleines Haus direkt am Meer“, erzählt er, „zwei Stunden von Hildesheim (seinem Wohnort), und wenn wir am Wochenende ankommen, dann ist nach zehn Minuten die ganze Alltagsarbeit vergessen.“ Fritz Baltruweit sagt gerne „wir“ und viel seltener „ich“.
Er ist ein Teamplayer, wobei sein „Wir“ je andere Kreise meint: die Studiogruppe Baltruweit – der etwas nüchterne Name steht für seine Band –, die Kolleginnen und Kollegen im Evangelischen Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik in Hildesheim, den ständigen Ausschuss für Abendmahl und Liturgie des Kirchentages, seine künstlerischen Weggefährten beim Neuen Geistlichen Lied oder eben – und nicht zuletzt – seine Ehefrau Beate und die beiden Söhne. Das neueste CD-Projekt des Kirchenbuchdichters heißt „Unterwegs“. Das sagt viel aus über den Mann mit dem klaren, aufmerksamen Blick und der warmen Stimme.
Nächstes Jahr geht er als Pfarrer in Ruhestand, jedenfalls offiziell. Als Künstler kennt der Sänger und Liedermacher solche Daten nicht. Dann wird er wohl noch öfter über Nordseedeiche streichen und in der Natur unterwegs sein, Menschen treffen, dem Wind und dem Meer und der Stille lauschen. „Da freue ich mich schon jetzt drauf“, lächelt der 64-Jährige, „jetzt mache ich vieles zum letzten Mal – diese Tagung, jene Konferenz. Ein allmählicher Abschied von vielen gewohnten Routinen. Ich finde das überhaupt nicht schlimm, denn dafür kommen neue Sachen auf mich zu.“ Und das ist für den spirituell Musikalischen dann Gotteserfahrung mitten im Leben: „Für mich hat Gott immer mit Weite zu tun, mit neuen Horizonten, die sich mir eröffnen.“
Was bleibt am Horizont der geistlichen Musik, ist Fritz Baltruweit, der Gesangbuchkomponist. Der Umstand, neben Martin Luther und Paul Gerhardt Lieder wie „Gott gab uns Atem“ oder „Freunde, dass der Mandelzweig“ beigesteuert zu haben, macht ihn auch ein wenig stolz: „Da bin ich selber überrascht, was das für einen Stellenwert hat.“
Von Thomas Rheindorf
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