Stephan Reimers
Stephan Reimers

Ein hanseatischer Grandseigneur

Stephan Reimers: eine Annäherung an einen Protestanten aus Hamburg

Es gibt wenig, das Pfarrer Stephan Reimers nicht gemacht hätte. Er war Wissenschaftler, Manager, Bundestagsabgeordneter und Vermittler zwischen Kirche und Staat. Doch zieht sich durch sein Leben ein roter Faden: da sein für andere.

Gut vernetzt zu sein, gilt ja heutzutage als Grundvoraussetzung für jedweden Erfolg. Auf Stephan Reimers trifft das ohne Zweifel zu: Er hat beste Kontakte in nahezu allen Lebensbereichen, gleich ob kirchlich, gesellschaftlich oder politisch. Doch „Networking“ passt ebenso wenig zu ihm wie andere blutleere Phrasen unserer Tage. Dem 77-Jährigen ist eine Haltung zu eigen, die mit Understatement und hanseatischer Grandezza vielleicht am besten getroffen ist. In Beziehungen zu Menschen leitet ihn das echte Interesse am Gegenüber mehr als bloßes Kalkül. Stand und Herkunft sind dabei nebensächlich.

Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts war er der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. So lernte er, sich auf der Bühne der Mächtigen diplomatisch und wirksam zu bewegen. Das Herz des promovierten Alttestamentlers schlägt aber vor allem für die Armen und Benachteiligten. 2015 wurde er – mit 71 Jahren – zum Vorsitzenden von Aktion Sühnezeichen gewählt und hatte das Amt bis September letzten Jahres inne: „Mich hat das Engagement der jungen Ehrenamtlichen angesprochen, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit in unserem Land engagieren.“ Aus der Arbeit der Organisation im Heiligen Land ist ihm ein Buchprojekt erwachsen: „Hoffnungsziel Israel – Deutsche im Heiligen Land“, ein Reiseführer, den er derzeit mit Sara Carmel schreibt, der Tochter des verstorbenen jüdischen Historikers Alex Carmel aus Haifa.

Stephan Reimers gibt denen eine Stimme, die sonst kaum gehört werden: Von 1992 bis 1999 war er Leiter des Diakonischen Werks Hamburg. Früh hörte er von einer Straßenzeitung in London und gründete 1993 mit Obdachlosen und Journalisten „Hinz & Kunzt“, das erste Straßenmagazin Deutschlands, das in Hamburg und Umland monatlich in einer Auflage von über 50 000 Exemplaren verkauft wird.

Auch hier: Der Initiator freut sich über die unerwartbare Erfolgsgeschichte, indes mehr noch über jede und jeden, die so im Laufe der Jahre eine Aufgabe und einen Halt gefunden haben. Wenn er Not erkennt, versucht er sie zu wenden. In diesem Winter stellte die Hamburger Stadtmission, deren Stiftungsrat er aktuell vorsitzt, für Obdachlose Wohncontainer gegen die Kälte auf. In der Rathauspassage, einem prominenten Sozialprojekt in der Hansestadt, das Stephan Reimers mitgründete, steht Hamburgs längstes Bücherregal. Es funktioniert auf Spendenbasis. Im Hintergrund auch hier „der Pfarrer als Manager“, wie Marion Gräfin Dönhoff ihn vor langer Zeit einmal in der „Zeit“ beschrieb.

Bei alldem sind Kirchen und Gottesdienst die Fixpunkte des Hamburger Urgesteins. Seine Gottesdienstkirche ist die Christuskirche in Othmarschen. Eine besondere Beziehung aber verbindet ihn mit der Hauptkirche St. Jacobi. Kunstgeschichtliche Pracht, die von der Schönheit des Glaubens kündet, geht hier einher mit der Unterstützung von Menschen ohne Obdach. Hierfür ist die Gemeinde über Hamburg hinaus bekannt. Genau so muss Kirche sein, findet Stephan Reimers.

Thomas Rheindorf

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