Familienmensch höherer Ordnung
Wolfgang W. Ewig sammelt Lebensdaten und Stammbäume von Adelsgeschlechtern bis Dorfgemeinschaften
Wolfgang W. Ewig ist Jäger und Sammler. Seine Reviere sind speziell: Kirchen, Friedhöfe, Archive. Er sammelt Lebensdaten und Stammbäume von Adelsgeschlechtern bis Dorfgemeinschaften. Er ist im besten Sinne Privatgelehrter und Koryphäe. Und dabei hoch sympathisch.
Am Anfang war die Schublade der Familie Ewig aus Hannover. In die beförderten die Eltern alles, was zu schade war fürs Altpapier: für den 15-jährigen Sohn Wolfgang ein faszinierender Schatz. Beim heimlichen Stöbern fand er eine Postkarte, auf der seine Großmutter von einem Menschen gleichen Nachnamens um Familienauskünfte gebeten wurde. Dieser Fund war der Beginn einer wunderbaren, nie mehr versiegenden Leidenschaft. Der junge Ewig ging zum Postamt und durchsuchte sämtliche Telefonbücher nach Namensvettern. Viele schrieb er an und erhielt dabei den entscheidenden Hinweis auf das Deutsche Geschlechterbuch, das von 1889 bis 1943 mit Stammlisten nichtadeliger Familien erschienen war. So konnte der Heranwachsende seinen ersten „Fall“ der Erkundung einer Familiengeschichte – nämlich seiner eigenen – lösen.
Den inzwischen 63-jährigen Wolfgang W. Ewig hat es nie mehr losgelassen: Noch immer faszinieren ihn die Zusammenhänge zwischen den heute Lebenden und ihren Vorfahren, die Beziehungen zwischen längst dahingegangenen Generationen, die Spuren, die sie hinterlassen und als Verflechtungen über das Land gezogen haben.
Beruflich hat Wolfgang W. Ewig einen anderen Weg eingeschlagen: Er arbeitet als Finanzfachreferent bei einem nieder sächsischen Autobauer. Das Jonglieren mit großen Datenmengen, der vertraute Umgang mit langen und breiten Tabellen, der Einfluss vieler Faktoren auf den Arbeitsprozess – die Parallelen zu seiner Passion sind nicht zu übersehen. Die beruflichen wie privaten Neigungen könnten nun leicht in Richtung eines eigenbrötlerischen, skurrilen und verschrobenen Originals deuten. Wer Wolfgang W. Ewig begegnet, der wird auf das Angenehmste eines Besseren belehrt: Der sportlich-schlanke Familienvater tritt elegant, höflich und zuvorkommend auf. Der Experte präsentiert sein Wissen so einnehmend und anschaulich, dass es einem staunend die Augen öffnet für den Blick in die Tiefe der Zeit. „Eigentlich bin ich ein eher schüchterner Mensch“, bekennt er lächelnd, „doch in meinen Seminaren und Vorträgen geht mir das Herz auf, weil ich etwas weitergeben kann.“
Und das ist einiges, denn der Autodidakt ist umtriebig. Von seinen „Expeditionen" im nord- und ostdeutschen Raum bringt er oft Tausende Fotos von Wappen, Epitaphen und Grabplatten mit. Er sichert noch lesbare Inschriften von Steinen und entziffert Kirchenbücher. Mit den Jahren hat er eine der größten Privatsammlungen adeliger Familien geschaffen. Wie viele Dokumente der Forscher auf seinen Fest platten liegen hat, weiß er nicht genau, es ist eine sechsstellige Anzahl. Überraschungen sind sein Ansporn, wenn lange offene Fragen beantwortet werden können oder sich ein neuer Suchpfad auftut: „Plötzlich steht man vor dem Grab eines unbekannten Vorfahren der Bismarcks in einer kleinen Dorfkirche und kann das beweisen“, beschreibt er einen Glücksmoment seines Tuns.
Im bevorstehenden Ruhestand will Wolfgang W. Ewig noch einen Gang hochschalten: „Wer in und an seiner Kirche Wappen, Gräber oder Epitaphe von Adelsfamilien hat, die ihm nichts sagen, kann sich einfach unter ewigi@t-online.de melden. Vielleicht finden wir eine Lösung!"
Von Thomas Rheindorf
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