Feier der Lebenswende
Ein neues Ritual für Jugendliche
In den westlichen Bundesländern gehen die Zahlen der Konfirmationen zurück. In den östlichen Bundesländern dagegen scheint man oft noch gefangen in einem Gegensatz aus DDR-Zeiten: Entweder Firmung/Konfirmation oder Jugendweihe. Doch seit einigen Jahren gibt es in Halle und anderen Städten ein Übergangsritual für Jugendliche aus nicht konfessionell gebundenen Familien, das in christlichen Kirchen gefeiert wird.
Die Idee entstand 1998 in der katholischen Kirche in Erfurt. So richtig Fahrt aufgenommen hat sie sei 2001 als katholisches Projekt in Halle. Seit 2015 ist es ökumenisch. Inzwischen nehmen dort ungefähr 800 Jugendliche an der „Feier der Lebenswende“ teil. An diesem Samstag ist es für viele 14-/15-jährige Mädchen und Jungen wieder so weit. Nach einigen Vorbereitungstreffen, in denen sie sich über Sinn- und Lebensfragen ausgetauscht und die Feier vorbereitet haben, kommen sie zum Beispiel in der großen Marktkirche mitten in Halle zusammen, um sich von ihrer Kindheit zu verabschieden und bewusst in ihre Jugendzeit überzugehen.
Was die Lebenswende so attraktiv macht: Sie findet in einer schönen Kirche statt. Sie kostet weniger Geld als eine Jugendweihe. Und es ist keine Massenveranstaltung, denn pro Feier sollen es nicht mehr als 35 Jugendliche sein, damit eine persönliche Atmosphäre entstehen kann. Das bedeutet Mehrarbeit: In Halle gibt es fast 30 Feiern. Anders als bei einer Jugendweihe halten keine Bürgermeister längliche Werbereden, sondern Jugendliche drücken selbst aus, was sie bewegt. Sie wirken bei der Gestaltung selbst mit. Eine Art Predigt gibt es auch, in der eine vorher verlesene „Sinngeschichte“ (zum Beispiel eine Fabel oder ein Märchen) ausgelegt wird.
Im Unterschied zu einer Firmung oder Konfirmation gibt es kein persönliches Bekenntnis zum christlichen Glauben, der für die meisten Jugendliche und Gäste weit entfernt ist. Es wird hier auch kein Nachwuchs rekrutiert. Zugleich aber erweisen sich die Kirchen als freundliche Gastgeberinnen, laden in ihre „gute Stube“ ein, kirchliche Mitarbeitende bereiten die Feier vor und führen sie durch. Es ist sozusagen ein missionarisches Projekt, das nicht missioniert.
Übrigens, ein Einwand, der anfangs häufig in Kirchgemeinderäten geäußert wurde, hat sich nicht bewahrheitet: Die Lebenswende ist keine interne Konkurrenz zu Firmung oder Konfirmation., erklärt Daniel Richter vom Team der „Lebenswende“.
Nicht zu vergessen, zum Schluss der Feier wird ein Segen gesprochen. Das stößt weder auf Befremden oder Ablehnung. Er geht so:
Dass es gut wird.
Dass Euer Leben gelingt.
Dass Euch jemand liebt und zu Euch hält,
egal, was kommt.
Dass Ihr in Freiheit leben könnt.
Dass Ihr Kraft habt.
Und Mitgefühl.
Und Phantasie – für Euch und für andere.
Wenn Ihr traurig seid, sollt ihr nicht allein sein.
Dass Ihr eine Heimat habt, überall auf der Welt.
Das Ihr den Mut habt, ein Mensch zu sein.
Und anfangen könnt
und hoffen
und losgehen –
das wünsche ich euch
im Namen Gottes.
AMEN – So soll es sein.
Inzwischen ist ein Netzwerk entstanden, dass die Lebenswendefeier in andere Städte wie Magdeburg, Dessau, Köthen oder Berlin getragen hat. Wer sich informieren oder mitmachen will, sollte sich die sehr gut gemachte Website ansehen.
Von Dr. Johann Hinrich Claussen
Mit freundlicher Genehmigung (veröffentlicht in der Kolumne "Kulturbeutel")