Von der Bühne an den Altar
Mark Adler: Es war eine Entscheidung, die lange gereift ist
Mark Adler ist Anfang 50, als er Pfarrer wird. Zuvor stand er sein halbes Leben als Sänger und lyrischer Tenor auf der Bühne von Opernhäusern und Konzertsälen. In seiner Gemeinde in Darmstadt belebt er alte Traditionen und entdeckt sein Talent in der Seelsorge. Aber auch sein Gesang erfreut weiterhin viele Gemeindeglieder.
Wenn Mark Adler gebeten wird zu singen, macht er es gern. Bei Beerdigungen etwa, wenn die Angehörigen es wünschen. Oder in der evangelischen Kita, die er einmal pro Woche besucht und wo die Kinder ungeduldig auf ihn warten. Seine ausgebildete Stimme sei schon ein Pfund, meint Adler, doch wichtiger ist ihm anderes: „Ich möchte als Pfarrer wahrgenommen werden, nicht als Sänger.“
Seit zweieinhalb Jahren ist der 56Jährige Pfarrer in der Darmstädter Paul-Gerhardt-Gemeinde. Zuvor hat er sein halbes Leben als Tenor Opern und mit Vorliebe Passionen und Oratorien gesungen. Mit Ende 40 aber wagte er einen Neuanfang: Er belegte den Masterstudiengang Theologie in Heidelberg. „Ich habe mich damals gefragt: Will ich als Tenor weitermachen? Ich war Freiberufler, viel unterwegs und musste immer gut sein. Und dann war da der Wunsch von früher: Pfarrer zu werden. Es war eine Entscheidung, die lange gereift ist.“
Mit Musik ist der in Berlin geborene Adler aufgewachsen. Der Vater war Dirigent und Pianist, die Mutter Sängerin und der Junge sang von klein auf. Viel Zeit verbrachte er in der evangelischen Jugendarbeit. Als 19Jähriger ging er, vermittelt durch das Berliner Missionswerk, für ein Jahr nach Tansania. Damals spielte er schon mit dem Gedanken, Theologie zu studieren. „Doch ich habe es mir nicht zugetraut.“ Stattdessen studierte er in Berlin Gesang. Seinen Eltern konnte er davon nicht mehr berichten: Die Mutter verlor er als Sechsjähriger, der Vater starb, als er 18 Jahre alt war.
Während seines zweiten Studiums hat ihn seine Frau, eine Journalistin, unterstützt. Beide gehen regelmäßig tanzen. Sie ist katholisch, was Adler als bereichernd empfindet. „Es gibt viele spirituelle Ausdrucksformen, nicht jede ist passend für alle.“ Die beiden Söhne sind erwachsen, mit seiner 15jährigen Tochter redet er viel über seinen neuen Beruf. Familie ist ihm wichtig. „Ich empfinde das Familien- und Privatleben als Korrektiv zum Pfarrberuf. Es schützt mich vielleicht vor einem Burnout, denn diese Arbeit kann einen sehr einnehmen“, sagt er.
Als Gemeindepfarrer sieht er es als Herausforderung, nicht alles umsetzen zu können, was er gern machen würde. Wichtig war Adler, Traditionen wie die Osternacht oder das Krippenspiel wiederaufleben zu lassen, die in der Corona-Zeit brachlagen. Seelsorge ist zu einem seiner Schwerpunkte geworden: „Im Studium hätte ich nicht darauf gewettet, dass ich das kann. Es hat sich entwickelt und vielleicht profitiere ich dabei von meiner Lebenserfahrung.“
Unplanbares gehört zum Pfarreralltag, das erlebt Adler oft. So wie jüngst, als die Tochter eines Ehepaars aus der Gemeinde anrief. Ihr Vater war im Krankenhaus gestorben und sie bat Adler, die Aussegnung zu vollziehen und sie dann zu ihrer Mutter zu begleiten. „Wenn ich in akuten Situationen gerufen werde, kann ich manches auffangen“, meint der Pfarrer. „Das macht für mich den Beruf so wertvoll.“
Von Katrin Wienefeld
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