Von einem Jahr zum andern
Mit Paul Gerhardt ins neue Jahr
„Nun lasst uns gehn und treten“: das ist die Nummer 58 im Evangelischen Gesangbuch (EG). 1653 schrieb Paul Gerhardt den Text, die Musik stammt von Nikolaus Selnecker. Die ruhige Melodie erinnert an einen Dreivierteltakt und kommt gleich dreimal im EG vor: "Nun laßt uns Gott dem Herren Dank sagen und Ihn ehren", "Wach auf, mein Herz, und singe".
Es hat ja Tradition: am Beginn eines neuen Jahres geht es nicht um das Hier und Jetzt, sondern wir blicken erst einmal zurück auf das Vergangene. Was war gut, was war schlecht? Womit haben wir abgeschlossen? Erst danach richtet sich der Blick nach vorne auf das, was vor uns liegt. Wohin geht der Weg? Womit rechnen wir, was erhoffen wir uns, wovor fürchten wir uns vielleicht? Paul Gerhardt macht das in seinem Liedtext ganz ähnlich.
- Nun laßt uns gehn und treten
mit Singen und mit Beten
zum Herrn, der unserm Leben
bis hierher Kraft gegeben. - Wir gehn dahin und wandern
von einem Jahr zum andern,
wir leben und gedeihen
vom alten bis zum neuen - durch so viel Angst und Plagen,
durch Zittern und durch Zagen,
durch Krieg und große Schrecken,
die alle Welt bedecken.
Mit Gesang und Gebet gehen wir auf Gott zu, der uns auf unserem Weg durch die Jahre und Zeiten Kraft gegeben hat. Es ist ein Kreislauf, der stets aufs neue beginnt. Leben und Gedeihen, alt und neu. Im Vertrauen auf den Herrn sind wir in unserem Leben unterwegs. Wir können zurück schauen, aber nicht stehenbleiben. Leicht ist der Weg nicht: „Angst und Plagen“, „Zittern und Zagen“ begleiten uns ebenso wie Krieg und Schrecken. Man könnte fast meinen, der Text stamme aus unserer Zeit, denn Ängste oder Verzagtheit ließen sich ebenso leicht aufzählen wie Schrecken und Krieg. Die Liste der „Zagen“ wäre lange. Aber dabei vergessen wir schnell, dass wir mit unseren Ängsten gar nicht allein sind. Dass da jemand ist, der uns beschützen wird.
- Denn wie von treuen Müttern
in schweren Ungewittern
die Kindlein hier auf Erden
mit Fleiß bewahret werden, - also auch und nicht minder
läßt Gott uns, seine Kinder,
wenn Not und Trübsal blitzen,
in seinem Schoße sitzen.
Mit dem Bild der treuen Mutter greift Paul Gerhardt die Worte des Propheten Jesaja auf, der in Kapitel 66,13 die Verheißung Gottes ausspricht, er werde uns trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Kann es einen stärkeren Trost geben? Ein höheres Maß an Vertrauen? Und wir sind ja auf Gottes Hilfe und Güte angewiesen, schreibt Gerhardt in der 6. Strophe weiter: „Es ist vergebens mit unserm Tun und Machen, wo nicht dein Augen wachen.“
Eine wichtige Erkenntnis! In Psalm 127 lesen wir mehr dazu: „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.“ Ist das eine Ausrede dafür, wir könnten ja doch nichts bewirken, das eigene Tun sei ja bedeutungslos? Wer sind wir denn, dass wir die Welt verändern können? Viel zu oft haben wir solche Sätze gehört, sei es als Ausdruck der Resignation, sei es als Abwehr, weil man sich ja vielleicht zu etwas aufraffen müsse, dass ja doch zum Scheitern verurteilt sei. Aber das Gegenteil ist der Fall, denn wir haben Gottes Zuwendung und Hilfe ja längst: „Die Güte des Herrn ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß“ (Klagelieder 3,22). Hier macht uns der Prophet Jeremia gehörig Mut. Und den können wir gut gebrauchen.
Paul Gerhardt schließt mit der letzten Strophe:
- Das alles wollst du geben,
o meines Lebens Leben,
mir und der Christen Schare
zum sel’gen neuen Jahre.
Wir wünschen Ihnen, Ihren Familien, Freunden und Gemeinden ein gesegnetes neues Jahr!