St. Peter und Paul zu Coswig (Sachsen)
St. Peter und Paul zu Coswig (Sachsen) Gabriele Hanke

Wissenswertes zur Adventszeit

Fastenzeit, Liturgie und Straßburger Adventsstreit

Wann beginnt die Adventszeit eigentlich und wie lange dauert sie? Im Frühchristentum hatte die Alte Kirche vermutlich ab der Mitte des 4. Jhds. eine Fastenzeit festgelegt, die vom Martinstag am 11. November bis zum Epiphaniasfest am 6. Januar dauerte. Anfangs wurde jedoch nur an drei Tagen der Woche gefastet, später dann an allen Tagen – mit Ausnahme von Sonnabend und Sonntag. Für uns heute kaum vorstellbar – ist die Adventszeit doch von vielerlei kulinarischen Genüssen geprägt. So manche Spezialität gibt es (eigentlich) nur in dieser Zeit. Was den Einzelhandel natürlich nicht davon abhält, das eine oder andere Produkt bereits Anfang September auf den Markt zu bringen.

Die ursprüngliche adventliche Fastenzeit – also die Vorbereitung auf die Geburt Christi – war mit vierzig Fastentagen die Parallele zur Passionszeit, die auf Ostern und damit die Auferstehung Jesu hinleitet. Diese Tradition kam zunächst in der Ostkirche auf, später verbreitete sie sich auch im Westen, Spanien und das heutige Frankreich haben sie als erste übernommen.

Dabei geht es reichlich ambivalent zu und die alte Adventszeit besteht aus Gegensätzen: zum einen herrscht freudige Erwartung, das Christus Mensch wird. Das ist die frohe Botschaft, wie man sie im 5. und 6. Jhd. aus Rom und Ravenna vernehmen konnte. Gleichzeitig sprechen irische Missionare wie Columban von Luxeuil – nicht zu verwechseln mit dem Heiligen Kolumban, der Schottland missionierte – aber vom Jüngsten Gericht und von der Wiederkehr Christi zur Endzeit. Das die westeuropäische Lesart und so gehören zur Adventszeit also zum einen die Vorfreude und zum anderen die stille Einkehr und Buße. Diesen Widerspruch haben wir noch heute in der Liturgie der Adventssonntage.

Wochensprüche bestimmen den Charakter

In der evangelischen Kirche bestimmen die Wochensprüche die Ausrichtung der Sonntage:

  1. Der Erste Advent erzählt vom Einzug in Jerusalem (Mt 21,1–11, Psalm 24). Wie sollen wir den Heiland empfangen? Paul Gerhardts Choral von 1653 in der Melodie von Johann Crüger (EG 11) wird gesungen, ebenso wie Luthers „Nun komm, der Heiden Heiland“ (EG 4) auf die Melodie des Ambrosius von Mailand.
  2. Der Zweite Advent spricht von Erlösung und vom Kommen des Menschensohns (Lk 21,25–28): Der Evangelist beschreibt sichtbare Zeichen an Sonne, Mond und Sternen – die Kräfte des Himmels werden erschüttert und das Meer tobt. „O Heiland, reiß die Himmel auf“ (EG 7) ist die passende musikalische Untermalung.
  3. Am Dritten Advent betritt Johannes der Täufer als Wegbereiter die Bühne. „Bereitet dem HERRN den Weg, denn siehe, der HERR kommt gewaltig“, heißt es beim Propheten Jesaja (Jes 40,3.10). „Die Nacht ist vorgedrungen“ (EG 16) - gedichtet von Jochen Klepper und vertont von Johannes Petzold - weist schon auf das nahe Weihnachtsgeschehen hin und erzählt vom Licht des anbrechenden Tages, das Paulus im Brief an die Römer beschreibt (Röm 13,11–12).
  4. Gewaltige Vorfreude herrscht am Vierten Advent: „Freut euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!“ (Phil 4,4.5b). Gesungen wird zum Beispiel „Nun jauchzet all ihr Frommen“ (EG 9), mit dem Text von Michael Schirmer und der Musik von Johann Crüger. Das ist quasi das Gegenstück zum fast triumphalen „Macht hoch die Tür“ (EG 1), das vom „Herrn der Herrlichkeit“ erzählt, während Schirmer dagegen die Niedrigkeit Christi betont, der ohne stolze Pracht für uns zum Opfer „auf einem Eselein “daherkommt. Die Anspielung auf die Passion ist offensichtlich.

Der Straßburger Adventsstreit

König Pippin der Jüngere (714-768) und sein Sohn Karl der Große (747-814) hatten eine vierwöchige Adventszeit angeordnet und damit die Tradition von Papst Gregor dem Großen (540-604) übernommen. Der hatte dereinst vier Adventssonntage festgelegt. Dies Zahl vier sollte an die viertausend Jahre erinnern, die nach damaliger Auffassung zwischen dem Sündenfall und der Wiederkehr des Erlösers liegen sollten. Streng befolgt wurde die Regelung in der westlichen Kirche allerdings nicht – so manche Diözese hielt an fünf oder sechs Wochen Advent fest.

Erst Konrad II. (990-1039), ab 1024 auf dem Kaiserthron des Ostfrankenreichs, sorgte 1038 für klare Verhältnisse. Auf der Synode zu Limburg wurde in Konrads Anwesenheit beschlossen, dass es künftig ausschließlich vier Adventssonntage geben werde. Der erste Advent würde also stets zwischen dem 27. November und dem 3. Dezember liegen.

Der Synodaltagung war der „Straßburger Adventsstreit“ vorausgegangen: Auf der Rückreise von Burgund in die Residenz Goslar war Konrad bei seinem Onkel, dem Straßburger Bischof Wilhelm, zu Gast. Der feierte just an diesem Tag – man schrieb den 26. November – den ersten Advent. Nach Konrads Verständnis eindeutig eine Woche zu früh! Das verärgerte den Kaiser dermaßen, dass er dem Gottesdienst demonstrativ fernblieb. Schließlich, so Konrad, sei er in seiner Rolle als „Bewahrer des Christentums“ eindeutig verpflichtet, im Reich die Einheit des Glaubens und der gottesdienstlichen Praxis zu sichern. Werde ohne Einigkeit in Glaubensfragen womöglich Gott selbst infrage gestellt?

Neben der theologischen Verantwortung darf man dem Kaiser aber auch ein gewisses Eigeninteresse zugestehen – mit Blick auf eine drohende Kirchenspaltung durch den Adventsstreit haben vermutlich ganz handfeste politische Gründe eine Rolle für Konrads Entscheidung gespielt. Wirklich rechtsverbindlich – sofern einem das kaiserliche Machtwort und der Synodalbeschluss nicht genüget – wurde die Regelung allerdings erst 1570 im Rahmen des Konzils von Trient unter Papst Pius V. Die Orthodoxen Kirchen spielen dabei bis heute nicht mit, sie haben die sechswöchige Adventszeit beibehalten.

„Unser Advent“ dagegen hat seine vier Sonntage. Und am 1. Dezember ist der erste davon.