Hinter den Kulissen
Wie die Filme der KiBa-Kirchen entstanden sind
Vier Kirchen und vier Menschen, deren Herz an „ihrer“ Kirche hängt: Sie sind die Protagonisten in den Videos, welche die KiBa für die Mitglieder des Fördervereins produzieren ließ. Thomas Rheindorf hat die Dreharbeiten begleitet und berichtet von hinter den Kulissen.
Zielstrebig steuert Lilli Möller den Platz am Mittelgang in der vordersten Kirchenbank an. „Das ist mein Lieblingsplatz in der Kirche“, erklärt sie geradeheraus, „ich habe einen tollen Blick auf alles, was mir wichtig ist, den Altar und die Fenster, die eine Geschichte erzählen. Ich finde es klasse hier, weil man total runterkommen kann. Die Kirche strahlt Frieden aus und etwas Liebliches.“ Aus dem Munde einer 15-jährigen Konfirmandin ein erstaunliches Statement über die Matthäuskirche in Berlin-Steglitz, einen neugotischen Bau mit eher herb-strenger Raumsprache. Noch erstaunlicher: Am späten Nachmittag ist sie vom Präsenzunterricht in der Schule hierhergeeilt, weil sie ihr Statement unbedingt loswerden wollte. Sie spricht mit einer Selbstverständlichkeit in die Kamera eines ihr fremden Filmteams, die keinen Zweifel aufkommen lässt: Sie meint es so und es ist ihr wichtig, das zu sagen.
Das Filmteam besteht aus Kai-Fabien Rolf und Marc Vonstrohe. Fast überall auf Kleidung und Ausrüstung steht irgendwo „kirche.media“. Ihr dunkelblauer VW-Bus ziert der Schriftzug „Mediendienst der evangelischen Jugend Bramsche“. Die beiden Mittzwanziger kommen so fesch und proper daher, dass es eine Freude ist – nicht nur als Traum aller Schwiegermütter. Rolf ist der Geschäftsführer des an den Kirchenkreis Bramsche angebundenen Mediendienstes. Er hat sein Handwerk beim Norddeutschen Rundfunk von der Pike auf gelernt. Nach Jahren als Freelancer für bekannte Fernsehsender stellte er sich in den Dienst seines Heimatkirchenkreises. Ein Wagnis und Neuland für die Kirche. Doch seit sein Team die Synoden seiner hannoverschen Landeskirche und der EKD ins Netz übertragen hat, kommt zum Erfolg auch Respekt.
Filmische Einblicke statt realer Besuche
„Wir stammen aus der klassischen evangelischen Jugendarbeit, das ist unser Vorteil gegenüber anderen Anbietern“, erläutert der Medienprofi, „wir wissen, wie es in der Kirche zugeht, worauf man achten und was man vermeiden sollte.“ Dieses Pfund wissen er und sein Mitarbeiter im Umgang mit der manchmal medienscheuen Gemeindebasis auszuspielen. Routiniert richten sie ihre Technik ein, um dann den Menschen, die oft zum ersten Mal im Leben vor einer Kamera stehen, die Aufregung zu nehmen: „Die Kamera ist gar nicht da, Sie unterhalten sich jetzt mit Marc. Der hat einfach ein paar Fragen an Sie“, ermuntert Kai-Fabien Rolf. „Genau“, ergänzt der Interviewer, „wenn ich frage, was haben Sie heute gefrühstückt, dann sagen Sie bitte nicht einfach Toast, sondern: Ich habe Toast gefrühstückt.“ Man lacht zusammen und Marc Vonstrohe freut sich und lobt, weil er so gute Antworten bekommt.
Der Bus von kirche.media ist angekommen!
Pfarrer Thomas Tutzschke (Berge) erzählt.
Brigitte Richert ist die Vorsitzende des Berger Fördervereins. Wer ihr zuhört, begreift: So fühlt sich Heimat an.
Brigitte Richert ist die Vorsitzende des Berger Fördervereins. Wer ihr zuhört, begreift: So fühlt sich Heimat an.
„Die Kirche strahlt Frieden aus“, sagt die 15jährige Konfirmanden Lilli aus Steglitz.
Paulus Hecker ist Pfarrer in Steglitz, wo die dicht bebaute Innenstadt allmählich in das städtische Umland mit Villen und Eigenheimen übergeht.
Aufnahmen im Chor der Königin-Luise-Kirche in Waidmannslust.
„Eine Kirche für alle“. Pfarrerin Donata Dörfel aus Zehlendorf.
Der Historiker Christian Gahlbeck ist eine Koryphäe der brandenburgischen Geschichte.
Die Alte Dorfkirche Zehlendorf wurde einst vom Alten Fritz gestiftet.
Als Nächstes besucht das Filmteam die Königin-Luise-Kirche im dörflichen Berliner Stadtteil Waidmannslust, der nach einem Ausflugslokal benannt ist. Trotz Corona haben die Gemeindemitglieder aufs Kuchenbacken nicht verzichtet. Bienenstich mit buttrigem Boden und krossem Belag steht für die KiBa-Filmcrew bereit. Gemeindeglied Christian Gahlbeck ist als Historiker eine Koryphäe der brandenburgischen Geschichte. Sein Plädoyer sprengt das Format des Films zwar komplett, zugleich ist die leidenschaftliche Kompetenz des Kenners mitreißend filmreif: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“ (Lk 6,45).
Und schon sitzen die Medienmacher wieder in ihrem Bus, den sie kreuz und quer durch Berlin und ins Umland steuern. Ihre Mission: Dem Zauber von vier Kirchen auf die Spur kommen, die alle als „KiBa-Kirchen“ von der Stiftung bei Sanierungsvorhaben gefördert wurden. Auslöser für dieses kirchliche Roadmovie ist Corona – was sonst in diesen Zeiten. Der Förderverein der Stiftung KiBa trifft sich jährlich zur Mitgliederversammlung, wie es das Gesetz aus vorpandemischen Zeiten fordert. Weil Versammeln aktuell nicht gut möglich ist, trifft man sich jetzt wie vielfach üblich im Internet. Dazu hat sich die Stiftung, deren Sorge alten und nicht virtuellen Objekten gilt, die Unterstützung der „Digital Natives“ geholt, die ebenso kirchen- wie internetaffin sind. Wo sonst Exkursionen zur Begegnung mit Gemeinden Höhepunkte im Vereinsleben darstellen, sollen es diesmal „Einspieler“, also kleine Filme sein. Bewegte Bilder statt realer Kontakte mit Menschen? Es bleibt ein Experiment, aber es ist doch mehr als ein bloßes Surrogat.
Weit im Westen außerhalb von Berlin liegt Berge, ein Ortsteil von Nauen, zu dem auch Ribbeck mit seinem Birnbaum zählt. In Berge steht – nomen est omen – auf einer Anhöhe die Kirche von 1744, deren neu verputzter Turm einladend zur nahen Bundesstraße 5 grüßt, die auf dem Weg von der dänischen zur polnischen Grenze hier vorbeikommt. 2017 half die Stiftung KiBa bei der Sanierung des Gotteshauses. Am Kirchenschiff und im Inneren harren noch für Jahre und Jahrzehnte Herausforderungen für den Förderverein der 150-Seelen-Gemeinde. Die Vorsitzende ist Brigitte Richert, die dem Filmteam Rede und Antwort steht. 1967 trat sie als junge Lehrerin in Berge ihre erste Stelle an. „Ich hatte in Potsdam studiert und wollte hier überhaupt nicht hin. Erst bin ich hängen geblieben und dann wollte ich nie wieder fort.“
Sie führt durch das Ensemble von Kirche, Schule und Pfarrhaus, erzählt vor der Kamera von früher, von heute und von morgen, von dem, was unbedingt werden muss, und dem, was schön wäre, wenn es wieder würde. Wer ihr zuhört, begreift: So fühlt sich Heimat an.
Szenenwechsel: An der verkehrsreichsten Kreuzung von Berlin-Zehlendorf liegt die Alte Dorfkirche. Ein kleiner, achteckiger Bau, gestiftet vom Alten Fritz, in einem alten Friedhofsgarten mit Maulbeerbäumen, die einst der preußischen Seidenproduktion dienten. 2017 half die Stiftung KiBa dabei, statische Probleme mit dem Dach zu beseitigen, die tiefe Risse in den Wänden verursacht hatten. Diese Gelegenheit nahm ein Kreis von Gebildeten und ästhetisch Informierten wahr, um das Innere neu zu gestalten: drei Werke moderner Sakralkunst an sonst leeren, aber frisch verputzten Wänden, dezente Beleuchtung, ein kleiner Altar, an dem schon der berühmte Theologe Friedrich Schleiermacher gestanden haben soll. So entstand ein Raum, so aufgeräumt, würdig und ruhig, dass er in keinem größeren Gegensatz zur rauschenden Urbanität der ihn flankierenden Verkehrsadern stehen könnte. Es soll ein Ort für alle sein: „Wo sollten wir in unserer Bedrängnis bedingungslos Zuflucht finden, wenn nicht in einer Kirche?“, meint Pfarrerin Donata Dörfel.
Jede Kirche ist eine Herzensangelegenheit
Die Menschen aus den unterschiedlichen Gemeinden, die vor die Kamera treten, beweisen: Wirklich jede Kirche ist eine vielfache Herzensangelegenheit. Warum Menschen sich gerade genau an „ihrer Kirche“ festmachen, hat wohl Blaise Pascal am besten auf den Punkt gebracht: „Das Herz hat seine Gründe.“
Donata Dörfel, die einst in Indien in der Theologenausbildung lehrte und es als Fügung sieht, jetzt in Zehlendorf als Pfarrerin „für alle“ da zu sein; Brigitte Richert, die pensionierte Lehrerin von Berge, die fest entschlossen ist, auch dem Schiff ihrer Kirche zu neuem Glanz zu verhelfen, und sich ansonsten dafür einsetzt, dass nebenan in ihrer alten Schule ein Raum für ihre Damengymnastikriege hergerichtet wird; der Forscher Christian Gahlbeck, der sich zur Königin-Luise-Kirche eingemeinden ließ, weil er von ihr sozusagen jeden Formstein mit Vornamen kennt, und in der mit anderen zu singen ihn glücklich macht; Lilli Möller, die Konfirmandin aus Steglitz, die in ihrer Kirche einen Ort gefunden hat, wo sie vom Großstadtleben runterkommt und Frieden spürt: Sie und alle anderen, die vor der Kamera von kirche.media Zeugnis ihres Engagements ablegten, sind die lebendigen Steine der Kirche, für die ihre Steinkirchen bewahrt werden müssen.
Als am Himmel über Berlin der Abend aufzieht, sitzen die beiden Filmemacher mit Stunden von Rohmaterial wieder in ihrem Crewbus und fahren heimwärts Richtung Westen, dem Sonnenuntergang entgegen. Klingt nach „The End“? Von wegen, viel eher nach „Fortsetzung folgt“.