Musterbeispiel für Kooperation von Kirche und Kommune
KiBa-Kirche des Monats Juni 2025 in Gorsleben
Der „Tod von Gorsleben“ – das ist weder der Titel eines Kriminalromans noch irgendeiner schauerlichen Geschichte. Vielmehr ist dieser „Tod“ eng mit der Sonne verbunden: Über dem Eingangstor zum Friedhof der Dorfkirche St. Bonifazius ist seit dem Jahr 1568 die Figur eines menschlichen Skeletts in den Stein gehauen, dessen obligatorische Sense den Stab einer Sonnenuhr darstellt. Tod und Leben, Schatten und Sonne – die Ermahnung, diesen Zusammenhang im Bewusstsein zu behalten, ist ein (nicht gerade fleischgewordenes, aber eben doch:) Charakteristikum von Gorsleben.
Wesentlich für diesen Ortsteil von An der Schmücke im thüringischen Kyffhäuserkreis ist auch die vom Friedhof umgebene Kirche St. Bonifazius selbst, die noch älter ist als das Gerippe am Eingangstor. Die spätgotische Saalkirche aus Bruchsteinmauerwerk hat einen spitzhelmgekrönten Turm im Westen und ist aus einem romanischen Vorgängerbau hervorgegangen. Sie beherbergt viele Insignien des Lebens: ein aus der Erbauungszeit stammendes Altarretabel, einen Taufstein aus dem Jahr 1564, eine reichgeschnitzte Kanzel und ein Bildnis des Reformators Martin Luthers mit Schwan aus dem 17. Jahrhundert. (Seit den 1960er Jahren beherbergt das schöne Gebäude im Dachstuhl übrigens auch eine so genannte Wochenstube, in der bis zu 300 Fledermäuse ihren Nachwuchs aufziehen können. Die Gemeinde spricht von „einem konfliktfreien Miteinander“ mit den Fledermäusen, das die gottesdienstliche Nutzung von St. Bonifatius nicht beeinträchtige.)
Um diese besondere und für Mensch und Tier wertvolle Kirche instand zu halten, muss absehbar der Sockel am Chor restauriert werden. Die Freilegung desselben, der Abbau von nicht mehr tragfähigen Steinen, Reinigung und Neuverfugung würden mehr als 100.000 Euro kosten. Die Stiftung KiBa gibt 10.000 Euro für diese grundlegende Maßnahme, andere Förderer zögern noch. „Ich hoffe sehr, dass wir im kommenden Jahr mit den Arbeiten beginnen können“, sagt Anne-Kathrin Bach, die als Kirchmeisterin zuständig ist für die Finanzen der Gemeinde. Doch auch wenn nicht die gesamte Summe bis dahin aufgebracht ist, will man in Gorsleben zumindest anfangen. „Sonst wird eben zunächst nur ein erster Abschnitt saniert.“

St. Bonifatius Gorsleben

St. Bonifatius Gorsleben

St. Bonifatius Gorsleben

St. Bonifatius Gorsleben

St. Bonifatius Gorsleben

St. Bonifatius Gorsleben
Dass die Kirche ein ebenso zentraler wie wichtiger Ort ist in Gorsleben, steht außer Frage, sagt Pfarrerin Denise Scheel. Gründe dafür kann sie viele anführen: Zuerst die berühmten Adjuvantentage, mit denen die reiche Musiktradition der thüringischen Dörfer gefeiert wird. Im vergangenen Jahr fanden sie in St. Bonifatius ihren Höhepunkt. Ein „Mittelalter-Mahl“ für mehr als 200 Personen, ein Gottesdienst und ein großes Abschlusskonzert haben Gorsleben nicht nur ins Zentrum überregionaler Aufmerksamkeit gerückt, sondern die Kirchengemeinde mit allen Vereinen im Ort kooperieren lassen. „Ein guter Anlass, Kirche und Kommune miteinander zu verbinden und die Kirche zu beleben“, bilanziert die Pfarrerin.
Solche Anlässe gibt es in Gorsleben aber auch in nicht ganz so bewegten Zeiten. Alle zwei Monate bietet Denise Scheel eine Andacht an, nach der ein großes, gemeinsames Essen in der Kirche stattfindet. Das Gebäude ist gut ausgestattet für solche Events; dank einer eingebauten Toilette können manchmal sogar Übernachtungen im Kirchraum stattfinden. So hat auch die Pfarrerin schon einmal mit Konfirmandinnen und Konfirmanden in St. Bonifatius genächtigt. Ob Martin Luther (oder der Schwan) streng auf die Gäste hinabgeblickt haben, war nicht auszumachen, aber die „altehrwürdige, klösterliche Atmosphäre“ sei sehr spürbar gewesen, berichtet Denise Scheel. „Der Ort hat etwas sehr Spirituelles und ist gleichzeitig pragmatisch nutzbar“, lobt die Theologin. So ist St. Bonifatius ein Musterbeispiel für ein Gotteshaus, in dem immer wieder Leben zu spüren ist – und der „Tod von Gorsleben“ keinesfalls das letzte Wort hat.