„Es kommt ein Schiff geladen“
Als Lied Nr. 8 steht dieser adventliche Choral im Evangelischen Gesangbuch. Er zählt zu den ältesten geistlichen Gesängen in deutscher Sprache, seine eingängige getragene Melodie entfaltet auch nach über 400 Jahren eine ganz besondere Wirkung. Und mit dem Bild vom Schiff kann jeder etwas anfangen.
Ganz einfach ist es ja nicht zu singen: zwei ruhige Zeilen in d-Moll stehen im gemächlichen 6/4-Takt, dann geht es für die letzten beiden Zeilen einer Strophe im eher flott anmutenden 4/4-Rhythmus weiter. Das hat schon so manche Gemeinde durcheinander gebracht – Organisten dürften das eine oder andere Lied davon singen können.
Wo kommt das Lied eigentlich her? Der Text wird Johannes Tauler zugeschrieben, der um 1300 in Straßburg in einer wohlhabenden Familie zur Welt kommt. Als junger Mensch tritt er in den Dominikanerorden ein und durchläuft die Ausbildung zum Priester. Während des Studiums traf er auch auf Meister Eckhart, den großen Theologen und Philosophen des Spätmittelalters.
Seine Heimatstadt hat Tauler vermutlich 1338 verlassen, ein Jahr vor dem päpstlichen Interdikt, das Papst Johannes XXII. als Maßnahme im Konflikt mit Kaiser Ludwig von Bayern verhängt hatte. Straßburg stand auf der Seite Ludwigs, während die Dominikaner - dem Papst gehorchend – sich weigerten, die Messen für die Straßburger Bürger zu zelebrieren und schließlich der Stadt verwiesen wurden.
Tauler wirkte in Basel und Köln, dabei machte er sich besonders für die Beginen stark – einer Gemeinschaft von Frauen, die den traditionellen Ordensgelübde (Armut, Enthaltsamkeit und Gehorsam) folgend meist ein ordensähnliches, gemeinschaftliches Leben führten. Kirchlich anerkannt waren die Beginen aber nicht, sondern zählten zum Stand der Laien.
Tauler starb 1361, manchen gilt er heute als Vorbote der Reformation. Luther hat sich später lobend über Taulers Schriften und Predigten geäußert, in letzteren hat er gerne Lieder zitiert – natürlich auch seine eigenen. Das Lied vom Schiff, dass da geladen kommt, ist vermutlich in Köln entstanden, zumindest hat es sich als Wallfahrtslied dort lange gehalten. Die heutige Melodie ist bekannt aus einer Handschrift von 1608. Daniel Sudermann aus Lüttich ließ den Choral 1626 erstmals drucken und schrieb dazu, dass es sich um einen „uralten Gesang“ handele, der unter Taulers Schriften gefunden worden sei.
In einer von Taulers Predigten lässt sich ein Zusammenhang zum Brief des Paulus an die Galater finden (Galater 4,4). Dor heißt es: „Als aber die Zeit erfüllt ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan, auf dass er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen.“ Das Geschenk Gottes, sein eigener Sohn, kommt per Schiff zu uns Menschen – und das passte damals für Tauler Zuhörer sehr gut, denn seine Wirkungsstätten Basel, Köln und Straßburg lagen alle am schiffbaren Rhein. Schwer beladene Lastkähne waren ein vertrautes Bild – „bis an sein höchsten Bord“.
Obwohl dieses Schiff eine ungeheuer kostbare Ladung trägt, ist seine Ankunft alles andere als spektakulär, es „geht still im Triebe“, der Anker wird geworfen, „da ist das Schiff an Land“. Ganz still, sachte und allmählich kommt Christus in diese Welt. Man kann ihn fast übersehen. Und genau so wird es sich ja in der Weihnachtsgeschichte auch abspielen, wenn in einem Stall ein hilfloser Säugling geboren wird, der alle Macht abgelegt hat und Mensch geworden ist.
Das Schiff ist aber Sinnbild für die christliche Gemeinde. Es steht für das Gebäude, in dem die Menschen zusammenkommen und Gottesdienst feiern. Es symbolisiert aber auch die Gemeinschaft. Je nachdem wie stark der Wind bläst, kann das Schiff in schwieriges Fahrwasser kommen. Man braucht Mut, Wissen und Erfahrung – und ganz viel Vertrauen – um so ein Schiff sicher in den nächsten Hafen zu bringen. Das geht nur mit der großen Liebe Gottes, die im Lied das Segel ist. Es fängt den Wind auf und sorgt für Bewegung. Ein Schiff, das sich nicht bewegt, kann nicht navigiert werden. „Der Heilig Geist der Mast“, er trägt das Segel und hält alles aufrecht. Wir dürfen Gottes Liebe gewiss sein.
„Das Wort will Fleisch uns werden,
der Sohn ist uns gesandt.“