Kirchen – Stationen des Lebens
Von Dr. Viva-Katharina Volkmann, sie ist Rechtsanwältin in Verden/Aller und Mitglied des Präsidiums der EKD-Synode.
Kirchen sind ein Stück unserer Heimat. Sie liegen in der Mitte der Orte, die Kirchtürme sind von weitem sichtbar. Besondere Lebensstationen gehen mit kirchlichen Anlässen einher, eigene wie familiäre, von Freunden oder anderen, die einem im Leben wichtig sind.
In der Zeit der Corona-Krise können wir nicht in unsere Kirchen gehen, wir kommen nicht hinein, wir stehen vor verschlossener Tür. Das widerspricht ganz und gar unserer Vorstellung von kirchlichem Leben, unserem vertrauten Erleben von Gemeinschaft. Heimat und Mitte sind verschlossen. Wir wissen, dass eine Kirche mit ihrem Sakralraum, ihrer Ausstattung zu uns spricht. Das vermissen wir nun schmerzlich.
Da ist es gut, einen Vorrat von wertvollen Erinnerungen bei sich zu tragen, die aus den vielen Gelegenheiten zum Kirchenbesuch zehren. Viele dieser Erinnerungen haben sich mir ins Herz geschrieben.
Ich denke an einen Pilgerort meiner Kindheit: das Kloster Wienhausen bei Celle. Meine Großmutter zog es mit uns Enkeln jeden Sommer dorthin. Dieser Ausflug gehörte stets zum Ferienprogramm. Die beeindruckende mittelalterliche Bildmalerei der biblischen Geschichten entschlüsselte sie uns, die Teppichkunst ordnete sie uns kunstgeschichtlich ein, das engagierte Leben der Chanoinessen machte uns neugierig. Die Wiederholung dieser Besuche habe ich geschätzt, es entfaltete sich eine Aura, etwas Geheimnisvolles, aber Erfahrbares einer anderen Welt. Noch heute fahre ich gern dorthin.
Oder die Kirche meiner Kindheit, die Christophorus-Kirche in Hamburg-Hummelsbüttel. Erbaut in den 1950er Jahren mitten in einem Ortsteil einer wachsenden Stadt im Stil einer alten Backstein-Dorfkirche, inzwischen ein Denkmal. Weihnachten, Kinderstunde, Reformationstag, Konfirmandenzeit mit Konfirmation, Trauung und Weiteres – viele, viele gute Erinnerungen.
Dort hängt für mich eines der schönsten Kruzifixe, erschaffen von Fritz Fleer (1921–1997). Ein in sich ruhender Christus überkrönt mit einer übergroßen Goldkrone. An einer Innenseite des Kirchraums steht: „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnet“ (Psalm 26, 8).
Der Dom ruht in der Landschaft, gelassen, er wartet auf uns
Und der Verdener Dom: von meinem Arbeitszimmer schaue ich auf Dach und First dieser Landscheune Gottes, die als Torso vom stadtfernen Allerufer, aber auch von viele Kilometer entfernten Punkten im Stadtbild als Charakteristikum von weitem zu erkennen ist. Der Dom ruht in der Landschaft, gelassen, er wartet auf uns.
Er drängt sich nicht auf, hat Geduld bis Corona von dannen zieht. Der Peststein aus dem 17. Jahrhundert ist ein solches Zeugnis der Geduld wie auch der durch Blitzschlag dezimierte Turm. Der Dom spricht zu uns, allein der Anblick zeigt uns, dass er bereits mehr als 30 Generationen vor uns dieses Beruhigende auf die Menschen ausgestrahlt hat. Er ist da und bleibt.
Dieser Text stammt aus dem Stiftungsrundbrief "KiBa aktuell". Der erscheint der Stiftungrundbrief „KiBa aktuell“ und bietet viel Wissens- und Lesenswertes rund um die Kirchtürme Deutschlands sowie die Arbeit der Stiftung. „KiBa aktuell“ kommt kostenfrei per Post zu Ihnen ins Haus und steht auch online zum Herunterladen bereit. Dank des tatkräftigen Engagements unserer zahlreichen Unterstützer kann die Stiftung in diesem Jahr wieder einhundert Kirchen bei dringend nötigen Sanierungsmaßnahmen helfen. Machen Sie mit und begleiten Sie uns dabei: entweder durch Ihre Spende, die vollständig für die Erhaltung von Kirchen verwendet wird – oder sogar durch Ihre Mitgliedschaft im Förderverein, die schon ab 60 Euro im Jahr möglich ist.