„Je mehr Lichter brennen, desto näher rückt Weihnachten“
Vor über 180 Jahren wurde der Adventskranz erfunden
Er zeigt zuverlässig an, wie lange man sich noch bis zum Weihnachtsfest gedulden muss – nicht nur für Kinder eine wichtige Information. Erdacht hat ihn 1839 Johann Hinrich Wichern, der als Theologe und Sozialpädagoge in Hamburg wirkte.
Eine „christliche Kolonie“ sollte es werden „wo Haus an Haus steht“. So schrieb es Johann Hinrich Wichern im Mai 1833 in einem Brief an seine Braut. Ihm schwebte ein „Rettungsdorf“ vor, in dem verhaltensauffällige arme Hamburger Kinder und Jugendliche in Wohngruppen leben sollten. Mit der immer stärker wachsenden Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren immer mehr städtische Arbeiterfamilien verarmt. Das sozialpädagogische Konzept der Rettungshäuser sah vor, die „sittlich verwahrlosten“ Kinder aus ihrem Milieu herauszuholen und sie individuell, familiär und sozialgemeinschaftlich zu erziehen – so Wichern.
Im Herbst 1833 stellte Wichern sein Konzept des „Rauhen Hauses“ der Öffentlichkeit vor. Bei der Finanzierung setzte er konsequent auf private Sponsoren und warb regelmäßige Spendengelder ein. Auf staatliche Hilfen verzichtete er konsequent um von ordnungspolitischen Vorgaben unabhängig wirken zu können – vielmehr sollte die Arbeit der Stiftung im Geiste des Evangeliums erfolgen.
1839 kam Wichern eine Idee, wie man die Adventszeit – als für Kinder unendlich lang erscheinende Zeitspanne bis zum Weihnachtsfest – ein wenig verkürzen könne. Im Betsaal des „Rauhen Hauses“ ließ er ein hölzernes Wagenrad mit mehreren Dutzend Kerzen aufhängen: rote für Wochentage und weiße für die Sonntage. Da jeden Tag bis Weihnachten eine neue Kerze entzündet wurde, war leicht abzulesen, wie lange es bis zum Fest noch dauern würde.
In seinen Erinnerungen schreibt Wichern: „Was gucken die Knaben- und Mädchenaugen so lustig zum Kronleuchter empor? Oh, was sie da sehen, kennen sie wohl. Es ist nichts als ein einfacher Kranz, den der Kronleuchter auf seinen Armen trägt, und auf dem Kranz brennt das erste Licht, weil heute der erste Adventstag ist. Und je mehr Lichter brennen, desto näher rückt Weihnachten und desto froher werden Knaben und Mädchen; und brennt der volle Kranz mit allen 24 Lichtern, dann ist er da, der heilige Christ in all seiner Herrlichkeit.“
Längst hat sich der Holzkranz weiterentwickelt, seit den 1860er Jahren begann man damit, ihn mit Tannengrün zu umflechten und mit Beginn des 20. Jahrhunderts hielt der Adventskranz Einzug in die bürgerlichen Wohnstuben – hier aber dann nur noch mit vier großen Kerzen für die Adventssonntage.
Das „Rauhe Haus“ in Hamburg-Horn besteht noch heute mit verschiedensten Einrichtungen, Wohngruppen und Stadtteilbüros. Hier werden Kinder, Jugendliche und Familien, Senioren aber auch geistig Behinderte und psychisch Kranke betreut. Die Stiftung unterhält auch die Evangelische Berufsschule für Pflege, die allgemeinbildende evangelische Wichern-Schule und die Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie.
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