Bachs Weihnachts-Oratorium hat Hochkonjunktur
Monatelang wird dafür geprobt
„Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage“ – für unzählige Menschen ist die Advents- und Weihnachtszeit ohne Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium undenkbar. Es ist die am meisten aufgeführte Weihnachtmusik und gilt in so mancher Gemeinde als Höhepunkt im kirchenmusikalischen Jahr.
Es ist die Nummer 248 im Bach-Werke-Verzeichnis (BWV), bei der die Musikliebhaber in freudige Verzückung geraten: sechs Teile umfasst das populärste geistliche Vokalwerk des Großmeisters Bach. Uraufgeführt wurde seine berühmteste Komposition vom Leipziger Thomanerchor zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag 1734 und dem Epiphaniasfest 1735.
Eine wirkliche Neukomposition ist das Weihnachtsoratorium nicht – Bach klaut ordentlich bei sich selbst. Allerdings übernimmt er seine Musik nicht eins-zu-eins, sondern er transponiert sie in andere Tonarten, besetzt die Instrumental- und Volkalparts neu und verwendet andere Texte. Der ikonische Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“ beispielsweise ist die Neuinterpretation seiner Königin-Kantate (BWV 214), die er ein Jahr zuvor für das sächsische Herrscherhaus als Glückwunschkantate anlässlich des Geburtstages der Kurfürstin Maria Josepha geschrieben hatte. Möglicherweise hatte Bach die Mehrfachverwendung damals schon im Blick – schließlich hätte er die aufwändige Kantate sonst nur ein einziges Mal aufführen können. Überdies war diese Methode zu Bachs Zeiten durchaus üblich, zumal man geistliche und weltliche Musik als Einheit betrachtete.
Inhaltlich reicht das Weihnachtsoratorium von der „klassischen Weihnachtsgeschichte“, wie sie im Lukasevangelium im zweiten Kapitel (Verse 1-31) geschrieben steht bis zu den Weisen aus dem Morgenland in Matthäus 2,1-12. In Rezitativen, Chören und Chorälen wird die Geschichte erzählt, dabei greift Bach auf einige Kunstgriffe der musikalischen Rhetorik zurück und setzt Musik und Text auf Basis der barocken Affektenlehre in Beziehung. Diese Lehre geht zurück auf die Antike und besagt, dass sich Affekte bzw. Gefühle wie Freude, Trauer oder Schmerz auch musikalisch ausdrücken lassen: die Musik kann und soll Gemütsbewegungen bei demjenigen auslösen, der sie hört. Mit dem Weihnachtsoratorium ist Bach das hervorragend gelungen, das Werk lässt sich schwerlich ohne Gemütsbewegung erleben! Albert Schweitzer sagte einmal, es sei unklug, das ganze Oratorium an einem Abend aufzuführen, da „der übermüdete Hörer die Schönheiten [..] nicht mehr zu fassen vermag“. Womöglich dachte er auch an überbordende Gefühle aufseiten des Publikums.
Wie dem auch sei: Aufführungen des Weihnachtsoratoriums sind deutschlandweit zu haben, mit großer Wahrscheinlichkeit findet sich eine Kirchengemeinde in der Nähe, in der das Oratorium gegeben wird. Wer beispielsweise auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland wohnt, hat in gleich drei Bundesländern (Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen) eine ganze Reihe von Aufführungen zur Auswahl.