Beethovenbüste
Beethovenbüste Brita Seifert auf Pixabay

Der Beethoven-Versteher

Ludwig van Beethoven ist schon ein wenig sperrig, selbst in seinem Jubiläumsjahr. Gut ist da ein Counterpart, der den Ungestümen begreift. Der Beethoven-Beauftragte der evangelischen Kirche, Friedemann Schmidt-Eggert, ist Theologe, Musiker, Kreativer und Seelsorger. Ein Streifzug durch Beethovens Bonner Quartier. 

Virtual-Reality-Brillen erlauben, dass man heute sehen kann, wie es früher war. Es geht auch einfacher und analog, jedenfalls, wenn man sich für das Bonn Ludwig van Beethovens interessiert: Man muss nur dem evangelischen Pfarrer für das Beethovenjahr, Friedemann Schmidt-Eggert, bei seinen Rundgängen auf den Fersen bleiben. Die Stadt wandelt sich kraft seiner Worte zu Szenen des späten 18. Jahrhunderts: An einer zugigen Ecke am Rhein ersteht das elterliche Wohnhaus, die verlorene Taufkirche entwächst wieder dem Boden und ein Fotogeschäft mutiert zu jener Schenke, in der sich der junge Musiker unsterblich in die Wirtstochter verliebte (wie es beinahe alle Bonner Jünglinge jener Tage taten).

Die verbale Bildflut in Schmidt-Eggerts Erläuterungen spült Zuhörer in eine Welt, die sich offiziell „BTHVN2020“ nennt. Hinter diesem etwas kryptischen Emblem feiert die einstige Bundeshauptstadt ihren lange vernachlässigten, größten Sohn Ludwig van Beethoven. Am 17. Dezember 1770 getauft (und wahrscheinlich einen Tag zuvor geboren) wird er zu seinem 250. Geburtstag mit einem großen, nationalen Beethovenjahr geehrt.

Ein durch und durch religiöser Mensch

Friedemann Schmidt-Eggert ist geradezu der Gegenentwurf zu Beethoven, den er als seinen großen Paten bezeichnet. Er ist zurückhaltend, freundlich, sportlich mit raspelkurzen Haaren, zudem offenbar mit einem feinen Gehör ausgestattet: „Sie müssen sich mal die Nuancen in den Klaviersonaten bei Igor Levit anhören, FANTASTISCH!“ Und noch ein Unterschied: Der Ausnahmekomponist war vom zweiten Lebenstag an katholisch. „Tatsächlich hat Beethoven vergleichsweise wenig geistliche Musik geschrieben“, weiß der protestantische Connaisseur, „doch er empfand sich als durch und durch religiösen Menschen.“

Ein religiöser Musiker, verlebendigt durch einen musikalischen Theologen, das ergibt eine produktive Mischung. Der junge Friedemann quälte sich letztlich scheiternd mit Geige durch die Grundschulzeit, um dann die Tasten für sich entdecken. In seiner Heimatgemeinde fand er einen engagierten Pfarrer vor, der einen Posaunenchor zusammenstellte: „Wir waren nicht so richtig toll – aber es ist immer besser, überhaupt etwas zu machen als gar nichts.“ Über die Musik kam er zur Theologie: „Für mich ist bis heute das gemeinsame Singen einer Gemeinde etwas ganz besonderes.“

In diesem Jahr entwickelt er gerne Veranstaltungsideen und knüpft Netzwerke in einer urigen Kneipe beim Bonner Rathaus. Gleich gegenüber lag der „Zehrgarten“, die erwähnte Stammkneipe des jungen Ludwig, die es heute nicht mehr gibt. Das Handwerkszeug für Konzepte und Publikumsansprache hatte Schmidt-Eggert einst in einer Werbeagentur gelernt, als der erste Sondervikar überhaupt in diesem Bereich. Der 57-Jährige gibt zu: „Lange hatte ich Beethoven nicht so auf dem Schirm, aber diese Musik ist gigantisch.“

So bilden das Musikgenie und sein überzeugter Fürsprecher 2020 ein zugkräftiges Tandem. 

Thomas Rheindorf

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