Stadtkirche Joachimsthal (Brandenburg)
Stadtkirche Joachimsthal (Brandenburg)

Ein Traum von einer Kirche

Ein Besuch in der Schinkelkirche Joachimsthal

Die frisch renovierte Schinkelkirche im brandenburgischen Joachimsthal zieht viele Touristen an. Die Pfarrerin und ihre Gemeinde freuen sich darüber, aber mehr noch über lebendige Gottesdienste und die erfolgreiche Jugendarbeit.

Sie strahlt. Gelb und golden. Sie strahlt am späten Vormittag, als die Sonne sich zaghaft durch die Wolken schiebt; sie erstrahlt noch mal goldener und gelber um die Mittagszeit im vollen Sonnenlicht. Und sie strahlt auch noch am späten Nachmittag, als der Himmel schon grau wird: die Schinkelkirche in Joachimsthal.

Die wunderbare Farbe ist dem örtlichen Malermeister zu verdanken. Er hatte während der Renovierungsarbeiten in den Bauakten die Angaben zu Schinkels Originalgelb gefunden und nachmischen können. Merke: Preußens Baumeister Karl-Friedrich Schinkel konnte nicht nur schöne Gebäude entwerfen – er fand auch die perfekte Farbe dafür.

Bisher sind die Süd- und Westseite der Kirche fertig renoviert, im Laufe des Jahres kommen die Ost- und Nordseite dazu. Dann wird die markante Kreuzkirche in Joachimsthal mit ihren neugotisch verzierten Giebeltürmen fast wieder so aussehen, wie Schinkel sie bei ihrer Einweihung am 7. Dezember 1817 gesehen hatte. Auf jeden Fall von außen.

Im immer noch eher kahlen Kirchenschiff hängen Zeichnungen des Architekten. Eine Glaswand soll eingezogen, die in DDR-Zeiten zum Teil abgerissene Holzempore wiederhergestellt werden. Leicht wird das alles nicht, weiß Pfarrerin Beatrix Spreng. Allein die Renovierung der Außenhülle belief sich auf fast eine Million Euro. Die Stiftung KiBa gab insgesamt rund 23 000 Euro dazu.

Auch wenn noch manches zu tun bleibt: Die Pfarrerin und ihre Gemeinde freuen sich riesig über das frisch sanierte Wahrzeichen der Stadt. Das schon von weitem sichtbare Bauwerk zieht immer mehr Touristen an. Auch Nichtkirchenmitglieder in Joachimsthal sehen den Erfolg und unterstützen die Renovierungsarbeiten. Die Pfarrerin weiß: „Es geht hier ja nicht nur um eine hübsche Fassade. Es geht um das Leben in unserer Stadt, dass wir wieder einen deutlich sichtbaren Mittelpunkt haben – für uns alle.“

Beatrix Spreng steht in der in knalligem Blau gehaltenen Winterkirche. So ganz nach dem Willen des Denkmalschutzes ist die Farbe an den historischen Säulen nicht, aber sie sei eben fröhlicher als das vorige Grau, meint die Pfarrerin. Und sie wirke freundlich auf die Gottesdienstbesucher, die hier jeden Sonntag in erfreulicher Anzahl kommen. Besucher! Menschen! Sie waren Beatrix Spreng immer wichtiger als Vorschriften oder historische Mauern. 1994 kam sie als Pfarrerin hierher, in eineinhalb Jahren geht sie in Rente. Genügend Zeit, um noch das eine oder andere anzugehen.

Stadtkirche Joachimsthal

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Wer sich von ihr die Kirche zeigen lässt und auch noch mitschreiben will, der muss flink sein: hier das wieder freigelegte Portal („Haben wir einfach gemacht, der Raum braucht doch Licht“), da der Musikraum für die Jugendband („Sehen Sie mal, die haben sich sogar selbst einen Putzplan gegeben“), dort der restaurierte Kronleuchter („Der lag in tausend Stücke zerteilt in der Remise, alles ehrenamtlich wieder zusammengepuzzelt. Was haben wir für tolle Leute hier!“). Und so geht es in einem fort. Beatrix Spreng strahlt eine derart ansteckende Begeisterung für ihr Lebensprojekt aus, dass man als Besucherin am liebsten gleich zu Pinsel und Farbeimer greifen würde, um mit anzupacken.

Erst mal geht es aber zum Kaffee ins gegenüberliegende Gemeindehaus. Dort ist gerade eine ebenfalls ziemlich fröhliche Damenrunde versammelt. Zum monatlichen Treffen der ehrenamtlich Engagierten der Kirchengemeinde gibt es Brötchen, selbstgemachte Marmelade, Eier, Tee. Auf dem Teppich vor dem Kamin wuseln Kinder herum. Mitten im Raum steht ein Flügel, darauf Notenstapel, Flyer für die nächsten Konzerte der Jugendband, Blumenvasen, Kunst, Bilder an den Wänden. Der fast privat wirkende Raum ist Treffpunkt für den Kirchenvorstand, die Konfirmanden – oder eben auch für die monatliche Damenfrühstücksrunde.

Eine Polizistin, eine Tierärztin, die pensionierte Pastorin, eine Hausfrau – die Runde ist bunt besetzt. Es gibt viel zu besprechen: Gemeindebrief, Jugendarbeit, Konzerte, der Waldkindergarten. Dann die Kirchenrenovierung und die Flüchtlingsarbeit.

Brigitta Klucke ist 78 Jahre alt. Seit 25 Jahren ist sie ehrenamtlich im Kirchensekretariat tätig. Als kleines Kind spülte sie der Krieg mit ihrer Mutter hierher: „Dann bin ich kleben geblieben.“ Aus dem jungen Mädchen wurde ein engagiertes Gemeindemitglied in Joachimsthal. Schmerzlich habe sie miterleben müssen, wie die einst so lebendige Gemeinde in den Jahrzehnten an Mitgliedern verlor. An die 700 Gemeindeglieder gibt es noch. Insgesamt leben in Joachimsthal heute gut 3500 Menschen. Seit kurzem steigt die Zahl der Einwohner wieder. Hoffnung auch für die Kirchengemeinde.

Anke Gröger, 47 Jahre alt, zog erst vor drei Jahren nach Joachimsthal. Sohn Felix sollte hier zur weiterführenden Schule gehen. Mittlerweile spielt der 16-Jährige die Orgel in den Gottesdiensten in Joachimsthal. Moment mal – der Kirchenmusiker in dieser prachtvollen Schinkelkirche ist ein 16-jähriger Schüler?

„Aber klar“, antwortet Beatrix Spreng, „warum nicht?“ Kirchenmusiker seien ihr immer „zugelaufen“, so wie jetzt Felix. Wer und was auch immer kam, wurde als „Geschenk“ akzeptiert und dann für die gemeinsame Sache eingespannt. – So leicht sich vieles anhört, so schwer waren die Zeiten und sind es zum Teil immer noch. Stichwort Neonazis und neue Rechte. Am schlimmsten sei es Anfang der 1990er Jahre gewesen, als hier in der Schorfheide – wie überall in den neuen Bundesländern – sogenannte „national befreite Zonen“ entstanden, wie die Neonazis dies nannten. Sie tauchten in den örtlichen Feuerwehren auf und dominierten die Jugendzentren. In Joachimsthal trafen sie auf entschiedene Gegenwehr: Beatrix Spreng, jung und schwanger mit ihrer Tochter, fand zusammen mit ihrem Ehemann schon bald viele engagierte Mitstreiter und Mitstreiterinnen.

Über die Musik versuchten sie, den Neonazis etwas entgegenzusetzen. Sechs Jugendbands gibt es heute in der Gemeinde: „BAFF“, Bands auf festen Füßen, lautet der griffige Name für das Projekt. Dazu mehrere Tanz- und Trommelgruppen, auch eine für Flüchtlingskinder. Ein großer Erfolg. Pfarrerin Spreng war deshalb schon beim Bundespräsidenten eingeladen. Und Jugendliche aus diesen Projekten waren dabei, als kürzlich Angela Merkel im benachbarten Templin zur Ehrenbürgerin ernannt wurde. „Wir tragen die Verantwortung für die jungen Leute hier“, sagt Beatrix Spreng. Und damit meint sie nicht nur die Nachwuchsarbeit für die Kirche. Es geht ihr angesichts von nach wie vor deutlichen populistischen Tendenzen in der Gemeinde vor allem um jugendpolitische Arbeit.

Wird die Pfarrerin die Fertigstellung „ihrer“ Kirche noch erleben? Da ist sie skeptisch. Es ist noch so unendlich viel zu tun. Andererseits: Die Pläne liegen fertig in der Schublade. – „Und wenn man nicht träumt, macht es keinen Spaß“, sagt Beatrix Spreng. Recht hat sie.

Von Dorothea Heintze

Dieser Artikel erschien zuerst im Stifungsrundbrief "KiBa aktuell". Den können Sie auch kostenlos abonnieren, vier Mal im Jahr kommt er dann zu Ihnen ins Haus. Interesse? Dann melden Sie sich im Stiftunsgbüro - per Telefon, Post, oder E-Mail.