Der Kirchenbauversteher
Im Juli überschwemmte die Ahr auch die Martin-Luther-Kirche in Bad Neuenahr. Michael Arnold sollte eigentlich dem Innenraum ein behutsames Facelifting verpassen. Buchstäblich über Nacht fiel der Plan ins Wasser. Nun ging es ums Ganze. Der Architekt war zur Stelle: Herausforderungen sind genau sein Ding.
Die Martin-Luther-Kirche in Bad Neuenahr im Ahrtal gleicht mehr einem „Lost Place“ denn einem Gotteshaus. Einige Bänke liegen verstreut. Einst ging man über Solnhofer Platten, jetzt über gerissenen Beton. Die Wände sind schlammbraun, wo das Wasser stand. Es stinkt. In mitten dieser Szenerie steht Michael Arnold. Schicke Steppjacke, sportliche Schuhe, eine Gestalt wie aus einer anderen Welt. Und doch ist der Architekt aus Koblenz hier genau richtig. Seinem Blick entgeht nichts, und wo dem Laien graut, entwickelt er im Kopf schon einen Plan.
Sein Credo: ein Schritt nach dem anderen
„Wir machen Kernbohrungen, um die Standfestigkeit zu prüfen, entfernen die Bodenplatte und den Putz“, verkündet er sein Erste-Hilfe-Programm. Er deutet hinter sich: „Die Orgel wurde schon abgebaut, habe ich gesehen, das ist gut!“ Die sachliche Zuversicht, die der 41-Jährige ausstrahlt, vermittelt den um ihn gescharten Betroffenen die Gewissheit: Hier wird einmal wieder eine Kirche statt einer Ruine stehen. Das Credo des Planers: ein Schritt nach dem anderen. Er kennt die Fragen nach Gestaltung und Schönheit, das Begehren einer Gemeinde nach einem Entwurf, der diskutiert werden kann. Doch er hat gelernt: „Erst einmal muss Klarheit geschaffen werden über das, was da ist und bleiben kann. Daraus erst ergibt sich das Weitere.“
Sein beruflicher Werdegang hat Michael Arnold zu einem gelassenen Krisenmanager werden lassen. Wenn er wagte, so gewann er, zumindest immer an Erfahrung und Kompetenz: Nach dem Abitur wollte er Architekt werden, doch die ihm dann in Aussicht gestellte Karriere als Taxifahrer ließ ihn Bauzeichner lernen – um dann doch Architektur zu studieren. Taxi fuhr er nie, höchstens als Fahrgast. Noch vor Beendigung des Studiums wagte er mit einem Partner die Selbstständigkeit. Als das Büro nicht genug für zwei abwarf, fand er am Schwarzen Brett der Uni ein Angebot des deutsch-russischen Architekten Sergei Tschoban für eine Stelle in Berlin. Der in Kasachstan geborene Michael Arnold ist zweisprachig aufgewachsen. Darum wurde er bald auf die Baustellen des Stararchitekten in St. Petersburg geschickt. Die Tür zur großen Bühne stand weit offen.
„Wenn ein Projekt gelingt, macht es einfach Spaß“
Doch der Koblenzer Arnold ist auch ein leidenschaftlicher Familienmensch. Er ging zurück an den Rhein und fand wieder eine Anzeige: „Architekt sucht Nachfolger.“ Hans-Joachim Becker war auf Sakralbauten spezialisiert, der aus einem Großunternehmen heim gekehrte Arnold davon zwar unbeleckt, aber neugierig und aufgeschlossen.
Seit 2018 führt er das Büro in alleiniger Verantwortung: „Man kommt ja manchmal an den Punkt, wo man sich fragt: Bin ich glücklich mit dem, was ich tue, und welchen Nutzen haben auch andere davon. Gerade Kirchen sind große, oft ortsbildprägende Eingriffe in die Umwelt. Da ist etwas hingestellt worden, was vorher nicht da war. Und das, was dann da ist, soll einen langen Lebenszyklus haben und Menschen und Umwelt von Nutzen sein. Wenn das gelingt, dann macht es einfach Spaß.“
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